Unser Königstiger

„Am 20. Oktober 1943 wurden Hitler auf dem Truppenübungsplatz Arys die Holzmodelle des „Tiger II“ – des später von unseren Feinden „Königstiger“ getauften, hervorragend gelungenen neuen Tigermodells -, des Vomag-Panzerjägers, des Jagdpanthers, das Eisenmodell des Jagdtigers mit der 12,8cm-Kanone, des Panzermörsers 38cm auf Tigerfahrgestell, des Panzers III für Eisenbahnschienen-Transport, sowie verschiedene leichte und schwere Panzerdraisinen vorgeführt.“ (Heinz Guderian, „Erinnerungen eines Soldaten“)

Ganz gleich, ob man angreifen oder verteidigen möchte, stets ist unser Königstiger dabei eine gute Wahl. Insbesondere dann, wenn man stärkere Abwehrfronten durchbrechen möchte oder zahlreiche Angreifer zu erwarten hat. Mit seiner 8,8cm-Kanone ist unser Königstiger in der Lage mit jedem Feind fertig zu werden und mit seinen beiden Maschinengewehren vermag er sich auch das feindliche Fußvolk vom Leib zu halten. Bis zu 185mm war seine Panzerung stark und vermochte daher so ziemlich jedem Beschuß zu widerstehen. Mit seinen 70 Tonnen Gewicht brachte er es auf 17 bis 38 Stundenkilometer, wozu 700 Pferdestärken im Motor von Nöten waren. Die Reichweite ist mit 120 bis 170 Kilometer recht annehmbar. Unser Königstiger war ja nicht für tiefe Vorstöße und die Verfolgung des Feindes erdacht. Die Stückzahl kann sich mit 500 Stück auch sehen lassen. Bei unserem Oberleutnant und Panzergeschichtsschreiber Richard von Rosen („Als Panzeroffizier in Ost und West“) beißen sich die russischen Panzerabwehrgeschütze nun die Zähne an unserem Königstiger aus:

„Die Nacht in der Igelstellung war für uns ziemlich unruhig. Zunächst griffen am Abend während des Auftankens russische Schlachtflieger an. Sie stürzten sich auf die Panzer der Abteilung, ohne jedoch nennenswerten Schaden anzurichten. In der Nacht gelang es dann einem russischen Spähtrupp, bis an den Panzer des Kommandeurs heranzukommen. Mit Maschinenpistolen und einigen Handgranaten wurde er wieder vertrieben. Für uns war dies eine Warnung, auf der Hut zu sein. Gegen 2.00 Uhr morgens bekam ich den Angriffsbefehl. Nun waren wir Spitzenkompanie. Bei Morgengrauen sollte wieder angetreten werden, jetzt in neuer Angriffsrichtung. Unser erstes Ziel war die kleine Stadt Türkeve, von hier aus sollte es weitergehen nach Kisujszallas. Dies waren wieder etwa fünfzig Kilometer. Schon kurz nach Antreten erhielten wir Feuer. So nah hatte der Russe sich in der Nacht herangeschoben. Die Situation war unangenehm, da die Straße hier auf einem Damm verlief und rechts und links für uns unpassierbarer Sumpf war. Ich konnte mich mit der Kompanie nicht breitmachen, es konnten also nur die ersten Fahrzeuge von uns den Feuerkampf aufnehmen. Ich machte sechs Panzerabwehrgeschütze rechts und links der Straße aus, mit denen wir uns etwa zehn Minuten herumschossen. Dann war diese erste Paksperre vernichtet. Die Russen waren zäh und schossen gut, zudem hatten sie den Vorteil, in einer guten Stellung getarnt zu stehen, während wir ihnen wie auf dem Präsentierteller preisgegeben waren. Dementsprechend bekamen wir auch eine ganze Anzahl schwerer Treffer, aber unsere Tiger hielten dies aus. Ich meldete per Funk der Abteilung und griff weiter an. Das Gelände wurde nun besser, wir konnten uns beiderseits der Straße breitmachen. Nach wenigen Kilometern trafen wir auf eine zweite Paksperre. Ein Geschütz nach dem anderen wurde ausgemacht, anvisiert und erledigt. Dazwischen hagelte es auch bei uns wieder Treffer. Einige Panzer fielen durch Beschuss aus. Kettenschaden, Kanonenschaden und so weiter, aber wir griffen weiter an. Es ist schon ein ekelhaftes Gefühl, im Panzer zu sitzen, es vorne plötzlich aufblitzen zu sehen und dann den Treffer zu erhalten. Denn nicht immer geht das gut ab. Wir bekamen wieder einen so heftigen Treffer, dass wir im Panzer alle wie benommen waren. Hat man die Pak beim Abschuss erkannt, so kann man sie bekämpfen. Wenn nicht, was oft der Fall war, da man nicht nach allen Seiten gleichzeitig beobachten kann, musste man abwarten, bis man den zweiten Treffer verpasst bekam und dann versuchen, das Geschütz ausfindig zu machen. Dabei muss ein Panzer den anderen mit überwachen und ihm in Gefahr rechtzeitig beispringen. Wer schnell erkennt und die Situation erfasst, ist dem Feind immer überlegen. Dies ist die zentrale Aufgabe eines jeden Kommandanten. Außerdem musste ich noch die gesamte Kompanie übersehen und taktisch richtig und rechtzeitig Befehle geben. Ich hatte in meinem Chefpanzer einen Sender und zwei Empfänger. Während des Angriffs kamen ununterbrochen Funksprüche. Dieser Wagen hatte Pak erkannt, jener war ausgefallen, der dritte stand vor einem natürlichen Hindernis, der nächste war bewegungsunfähig geschossen und dazwischen funkte auf einer anderen Frequenz, die ich durch den zweiten Empfänger aufnehmen konnte, der Kommandeur bestimmt irgendeinen neuen Befehl. Am liebsten hätte ich den Kopfhörer in eine Ecke geschmissen, denn außer Hören musste man vor allem beobachten und danach seine Entschlüsse fassen. Wir waren jetzt mitten in ein Schützenfeld mit russischen Panzernahkampftrupps gekommen. Mit geballten Ladungen und ähnlichen Scherzen sprangen sie unsere Panzer an. Dies ist im Panzer sehr unangenehm, denn dagegen kann man sich kaum wehren Also mit Vollgas durch. Schwierigkeiten machten auch die vielen natürlichen Hindernisse, wie breite Gräben, Heckenreihen, Waldstücke usw. Zur Verteidigung sind sie ideal, den Angreifer halten sie aber stark auf. In der Ferne erkannten wir schon Türkeve. Den Ort wollte ich zunächst links liegenlassen, um ihn dann von hinten anzugreifen. Doch so leicht ging das nicht: Überall Pak, der Russe verteidigte sich wirklich meisterhaft. Den ganzen Ortsrand entlang waren Panzerabwehrstellungen eingebaut. Hier hatten wir eine besonders harte Nuss zu knacken. Immer mehr Panzer meiner Kompanie fielen durch Beschuss aus. Ich selber bekam einen Treffer von einem Geschütz, das ich nicht rechtzeitig ausgemacht hatte, direkt unter meine Kanone. Die Frontpanzerung hielt dies aus, aber ich konnte nicht mehr schießen. Mit diesem lädierten Panzer hatte ich nur noch zwei weitere, die voll einsatzbereit waren. Zu dritt legten wir den letzten Kilometer zurück. Dann hatten wir den nordöstlichen Dorfausgang erreicht und konnten von hier aus in den Ort eindringen. Der Russe hatte inzwischen abgebaut. Hier verschnauften wir einige Stunden. Der Angriff hatte etwa. fünf Stunden gedauert, sechsunddreißig Geschütze hatte die Kompanie außer Gefecht gesetzt. Wir hatten uns wirklich Kilometer für Kilometer durchbeißen müssen, der Russe kämpfte unerhört hart. Die Kompanie hatte einige Verwundete, keine Toten und keinen Totalausfall an Panzern. In den nächsten Stunden stießen wieder einige Panzer zu mir, die mit Hilfe unserer Instandsetzungsgruppe ihre Schäden hatten beheben können. So hatte ich dann doch wieder sechs Wagen in der Kompanie. Ein besonderes Lob für Feldwebel Großmann, der seiner Instandsetzungsgruppe immer ganz vorne war und bei der Reparatur Wunderdinge vollbrachte. Ich blieb in meinem Panzer, obwohl ich mit ihm nicht mehr schießen konnte. Der Divisionskommandeur kam zu uns nach vorne. Das Lob aus seinem Munde tat gut. Wir besprachen die Fortsetzung des Angriffs und tranken einen Cognac. Das brachte die Nerven wieder in Ordnung. Gegen Mittag traten wir weiter an, die III. Kompanie wieder voraus. Unser nächstes Zwischenziel war die Stadt Kisujszallas. Es kam jetzt darauf an, den Erfolg schnell auszunutzen und dem Feind für erneute Abwehrmaßnahmen keine Zeit zu lassen, denn offenbar hatten die Königstiger auf ihn eine erhebliche moralische Wirkung gehabt und er begann langsam weich zu werden. So ging es auch am Nachmittag recht zügig voran. Wir fuhren eine Spitze, wie sie in der Panzertruppenschule gelehrt wurde. Nach fünfzehn Kilometer bogen wir von der Hauptstraße ab und schlichen uns buchstäblich an die Stadt heran. Gegen 17.00 Uhr erreichten wir zwei Kilometer weiter östlich der Stadt die Straße Kisujszallas – Devavanya und stoppten alles, was wir auf ihr überraschen konnten. Einige Kilometer weiter war die große Straße von Debrecen nach Kisujszallas gut einzusehen: In ununterbrochenem Strom fuhren auf ihr russische Panzer, Lastkraftwagen und vor allem Panzerabwehrgeschütze in die Stadt hinein…“

Das Nibelungenlied, unser deutsches Nationalepos

Die Wiederentdeckung unseres Nibelungenliedes im Jahre 1755 feiern wir Deutschen heute. Mit seinen 39 Gesängen ist dieses ein Meisterwerk der höfischen Dichtung des Mittelalters und beruht wohl auf alten Sagen und dem Widerhall der Kämpfe der Völkerwanderungszeit. Es schildert uns die Geschichte vom Verderben des burgundischen Königshauses, das im Lande der Hunnen mit seinem Gefolge den Tod findet. Neben anderen deutschen Dichtern hat auch unser Nürnberger Meistersinger Hans Sachs ein Trauerspiel namens „Der hörnen Sewfriedt, ein son könig Sigmunds im Niderlandt“ nach dem Nibelungenlied gedichtet: http://www.zeno.org/Literatur/M/Sachs,+Hans/Dramen/Der+h%C3%B6rnen+Sewfriedt Passend dazu gewinnt unser Held Siegfried nun im Nibelungenlied den Schatzhort und erschlägt den Drachen Fafnir: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Simrock/sim_ni00.html

„Also sprach da Hagen: „Soviel ich mag verstehn,

Hab ich gleich im Leben Siegfrieden nie gesehn,

So will ich doch wohl glauben, wie es damit auch steht,

Daß er es sei, der Degen, der so herrlich dorten geht.

„Er bringt neue Mären her in dieses Land:

Die kühnen Nibelungen schlug des Helden Hand,

Die reichen Königssöhne Schilbung und Nibelung;

Er wirkte große Wunder mit des starken Armes Schwung.

„Als der Held alleine ritt aller Hilfe bar,

Fand er an einem Berge, so hört ich immerdar,

Bei König Niblungs Horte manchen kühnen Mann;

Sie waren ihm gar fremde, bis er hier die Kunde gewann.

„Der Hort König Nibelungs ward hervorgetragen

Aus einem hohlen Berge: nun hört Wunder sagen,

Wie ihn teilen wollten Die Niblung untertan.

Das sah der Degen Siegfried, den es zu wundern begann.

„So nah kam er ihnen, daß er die Helden sah

Und ihn die Degen wieder. Der Eine sagte da:

„Hier kommt der starke Siegfried, der Held aus Niederland.“

Seltsame Abenteuer er bei den Nibelungen fand.

„Den Recken wohl empfingen Schilbung und Nibelung.

Einhellig baten die edeln Fürsten jung,

Daß ihnen teilen möchte den Schatz der kühne Mann:

Das begehrten sie, bis endlich ers zu geloben begann.

„Er sah so viel Gesteines, wie wir hören sagen,

Hundert Leiterwagen die möchten es nicht tragen,

Noch mehr des roten Goldes von Nibelungenland:

Das Alles sollte teilen des kühnen Siegfriedes Hand.

„Sie gaben ihm zum Lohne König Niblungs Schwert:

Da wurden sie des Dienstes gar übel gewährt,

Den ihnen leisten sollte Siegfried der Degen gut.

Er könnt es nicht vollbringen: sie hatten zornigen Mut.

„So mußt er ungeteilet die Schätze laßen stehn.

Da bestanden ihn die Degen in der zwei Könge Lehn:

Mit ihres Vaters Schwerte, das Balmung war genannt,

Stritt ihnen ab der Kühne den Hort und Nibelungenland

„Da hatten sie zu Freunden kühne zwölf Mann,

Die starke Riesen waren: was konnt es sie verfahn?

Die erschlug im Zorne Siegfriedens Hand

Und siebenhundert Recken zwang er vom Nibelungenland.

„Mit dem guten Schwerte, geheißen Balmung.

Vom Schrecken überwältigt war mancher Degen jung

Zumal vor dem Schwerte und vor dem kühnen Mann:

Das Land mit den Burgen machten sie ihm untertan.

„Dazu die reichen Könige die schlug er beide tot.

Er kam durch Albrichen darauf in große Not:

Der wollte seine Herren rächen allzuhand,

Eh er die große Stärke noch an Siegfrieden fand.

„Mit Streit bestehen konnt ihn da nicht der starke Zwerg.

Wie die wilden Leuen liefen sie an den Berg,

Wo er die Tarnkappe Albrichen abgewann:

Da war des Hortes Meister Siegfried der schreckliche Mann.

„Die sich getraut zu fechten, die lagen all erschlagen.

Den Schatz ließ er wieder nach dem Berge tragen,

Dem ihn entnommen hatten Die Niblung untertan.

Alberich der starke das Amt des Kämmrers gewann.

„Er mußt ihm Eide schwören, er dien ihm als sein Knecht,

Zu aller Art Diensten ward er ihm gerecht.“

So sprach von Tronje Hagen: „Das hat der Held getan;

Also große Kräfte nie mehr ein Recke gewann.

„Noch ein Abenteuer ist mir von ihm bekannt:

Einen Linddrachen schlug des Helden Hand;

Als er im Blut sich badete, ward hörnern seine Haut.

So versehrt ihn keine Waffe: das hat man oft an ihm geschaut…“

Peter Paul Rubens

Wer Gefallen an barocken Formen und barocker Üppigkeit findet, der ist bei unserem Peter Paul Rubens richtig. Dessen Gemälde verkörpern jene Kunstrichtung geradezu und vermögen den Betrachter mit einem weiten Kreis an Gegenständen zu erfreuen. Man findet Landschaften, Sagenstoffe, religiöse Darstellungen, Gemälde berühmter und weniger bekannter Zeitgenossen. Geboren wurde unser Rubens 1577 in Siegen. Die Malerei erlernte er in Antwerpen von 1592 bis 1598. Im Jahre 1600 begab sich unser alter Meister dann auf eine längere Reise nach Italien und Spanien. Dort vertiefte er sein Verständnis der Malerei und machte sich nach seiner Rückkehr 1608 als Maler in Antwerpen selbstständig. Schon 1609 führte er Isabella Brant zum Traualtar. Das Paar hatte drei Kinder. Isabella starb 1626 und so heiratete unser alter Meister 1630 mit Helene Fourment noch einmal. Aus der zweiten Ehe gingen vier Kinder hervor. Wie groß der Ruhm unseres Rubens schon zu seinen Lebzeiten war, zeigt die Einladung an den Hof der gallischen Königin Maria de Medicis im Jahre 1622. Diese gab zahlreiche Arbeiten bei unserem Rubens in Auftrag. Aus den Höhen der Kunst machte unser Rubens ab 1623 einen Abstecher in die Untiefen der Staatskunst und wirkte als Gesandter Spaniens am englischen Hof. Bei unserem Kunstgeschichtsschreiber Rudolf Oldenbourg geht es in „Peter Paul Rubens“ mit dem Leben und Schaffen unseres alten Meisters ein Stückchen weiter: https://archive.org/details/peterpaulrubenss00olde

Rubens war der erste und bei weitem der größte Niederländer, den sein Einfluß unmittelbar traf, und dementsprechend handelt es sich bei ihm auch nicht um spezielle Abhängigkeiten, wie wir sie bei anderen Antwerpener oder Utrechter Malern beobachten können, sondern um eine tiefer greifende, allgemeine Aufforderung, die abgebrauchten Formen des Cinquecento von sich zu werfen und sich dem starken, lebensfrohen Sinn für die Natur und ihre wechselvollen Erscheinungen zu überlassen, der ihm zwar angeboren, aber durch seine akademische Erziehung geflissentlich zurückgedrängt war. Nur durch den befreienden Impuls, den er von Caravaggios selbständiger Offenheit empfing, läßt sich der plötzliche Umschlag erklären, in dem auf die stilistisch stark gebundenen, etwas hohlen Altartafeln der Chiesa Nuova in Rom, die 1608 seine Tätigkeit im Süden abschlössen, fast unvermittelt die große Epiphanie des Prado, die Susanne der Madrider Akademie, die „Große Judith“ (nur noch in Galles Stich erhalten) und 1610 die Kreuzaufrichtung in der Antwerpener Kathedrale folgen, alles Werke, in denen eine ganz unmittelbare, fast rohe Beobachtungsfreude hervorsprudelt und sich immer grundsätzlicher über jede bisher geltende Rücksicht auf Form und Haltung kühn hinwegsetzt. Hier läßt Rubens zum erstenmal seiner elementaren Schaffenskraft die Zügel schießen, zugleich aber genießt er schon jetzt die Früchte seiner tiefen literarischen und archäologischen Bildung, die ihm ein Verständnis für antiken Geist und ideale Gestaltung erschlossen hatte, wie es vor ihm kein Künstler nördlich der Alpen besaß. Wie erbärmlich klein erscheinen doch die mythologischen Szenen eines Vos, Goltzius oder Spranger neben dem freien Adel in der Gruppe von Venus und Adonis in Düsseldorf oder in der gewaltigen Juno des Kölner Museums! Eine Steigerung an schöpferischer Eindringlichkeit schien kaum noch möglich, daher wendet Rubens sein Interesse auf neue Gesichtspunkte. War bisher bei der Art seines Produzierens alles, auch die Ausführung, von ihm persönlich und der Inspiration seiner Hand abhängig, so beginnt er seit 1612 eine künstlerische Sprache von allgemeinerer, gesetzmäßiger Ausdrucksweise zu suchen, die ihn instand setzen sollte, seine Stimme durch einen Chor geschulter Mitarbeiter beliebig zu verstärken. Wie weit er sich dieses Ziel frei und mit vorgefaßter Überlegung aufstellte und wie weit ihn die rasch zunehmende Überlastung mit Arbeit dazu zwang, wird kaum mehr zu entscheiden sein. Sicher ist nur, daß er die äußere Nötigung zu erhöhter Produktion als ein künstlerisches, nicht bloß als praktisches Problem auffaßte und gleich nach Vollendung der Kreuzaufrichtung zur Ruhe, Mäßigung, ja schließlich zur akademischen Kälte vorübergehend einlenkt und damit wieder in engere Fühlung zu der alten Kunst seines Landes zurückkehrt. In einem besonders glücklichen Moment dieser plötzlich einsetzenden Reaktion, zwischen Leidenschaft und Überlegung, entstand 1611-1612 die Kreuzabnahme in der Antwerpener Kathedrale. (Die Flügel erst 1614 vollendet.) Der tiefe Gehalt dieses Werkes, der feierliche, stumme Schmerz findet in dem klaren, auf die Dominante des herabgleitenden Leichnams eingestellten Linienspiel den edelsten formalen Ausdruck, hinter dem die Wirkung des wilden Kraftaufwandes in der Kreuzaufrichtung weit zurücksteht. Die zähe Bemühung um eine verfeinerte Durchbildung der einzelnen Linie sowohl als der ganzen Komposition führt zunächst zwischen 1612 und 1614 zu einer Reihe von indifferenten, ja frostigen Werken. Noch in die Zeit um 1611 gehören der recht schematische Seneca (im Stich von A. Volt) und der Tugendheld, beide in München. Im Jahre 1612 folgt das Moretus-Epitaph in der Antwerpener Kathedrale, die Verkündigung in Wien, ferner Jupiter und Kallisto (1613) sowie das Bild der Vier Götter in Kassel und eine große Anzahl von HalbfigurenbiJdern, wie der Zinsgroschen der Sammlung Koppel in Berlin, die Ehebrecherin in Brüssel u. a. m. Bei dem akademisch überlegten Vortrag dieser Werke vollzieht Rubens die Ausprägung seiner persönlichen, willkürlichen Eigenheiten zu gesetzmäßiger Konsequenz, und mit dieser stilistischen Festigung reift gerade in den produktiv nur wenig erfreulichen, aber entwicklungsgeschichtlich höchst bedeutsamen Jahren 1611-1614 seine von jetzt an feststehende Typik der Form sowohl als der Farbe heran, jene allgemeine, immer treffende Ausdrucksweise, die zwar ihm persönlich gehört, in ihrer folgerechten Anwendbarkeit aber die Teilnahme anderer Individuen an seinen Arbeiten möglich machte. Wie Rubens das Bild des menschlichen Körpers rein nach seinem Formen- und Linienempfinden allmählich stilisiert, zeigt der prachtvolle Sebastian im Berliner Museum (um 1613). Die unverhältnismäßig schweren Extremitäten und der kurze Hals mit dem gedrängt aufsitzenden Kopf ziehen alle Ausladungen des Körpers zu schweren Massen zusammen, die durch das energisch gewellte Gegenspiel der Umrisse rhythmisch gegliedert werden. In dem stürmischen Puls dieser gewundenen Linien schwingt neben einer fast leidenschaftlichen, übertreibenden Naturbeobachtung der starke stilistische Einschlag mit, das Nachklingen jener alten Manieristenschule, mit dem Rubens nun auch die Vegetation, ja sogar die Farbe durchdringt. Denn auch sie hat, namentlich im Inkarnat, das einerseits durch bläuliche Brechungen zu warmen Schatten abfällt, anderseits mit kalten Lichtern gehöht wird, eine feste, systematische Abwandlung des Tones gefunden…“

Willy Messerschmitt

Mit unserem Willy Messerschmitt hat heute einer unserer größten deutschen Flugzeugbauer Geburtstag. Wir Deutschen Verdanken ihm (und seinen Flugzeugwerken) die Jäger Me 109, Me 262 und Me 163, die Zerstörer Me 110, Me 210 und Me 410 sowie das Frachtflugzeug Me 323. Im Jahre 1898 kam unser Messerschmitt in Frankfurt am Main zur Welt. Im fränkischen Bamberg ist er aufgewachsen und zeigte schon früh Begeisterung für die Fliegerei. In München studierte er von 1918 bis 1923 die Ingenieurskunst an der Technischen Hochschule. Danach baute er Flugzeuge und gewann den Wettbewerb für den neuen Jäger unserer Luftwaffe. Es folgten zahlreiche Ehrungen und Würdigungen. 1937 die Berufung zum Ehrenprofessor, 1938 die Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer und 1941 die Verleihung des Titels des Pioniers der Arbeit. Kaum konnte sich unsere Me 262 endlich als Jäger ins Gefecht stürzen, schon heckt man den nächsten Unfug aus: Die He 162, die unserer Me 262 die knappen Mittel streitig machte. Mehr weiß unser Fliegergeneral Adolf Galland in „Die Ersten und die Letzten“ zu berichten:

„Gegen Ende des Jahres 1944 sah es so aus, als sollte der über Jahre verzögerte Me-262-Jagdeinsatz in der Reichsverteidigung doch noch zustande kommen. Aus Nowotnys Gruppe wurde der Grundstock des ersten Düsenjagdgeschwaders, das Steinhoff als Jagdgeschwader VII aufstellte. Inzwischen hatte jedoch der Zwang, endlich etwas Entscheidendes gegen den alliierten Luftkrieg zu unternehmen, im Rüstungsministerium die politisch inspirierte Idee der Massenherstellung des „Düsenvolksjägers“ mit möglichst geringem Aufwand an Arbeitsstunden und Material entstehen lassen. Auf die Ausschreibung dieses Flugzeuges reichten fast alle Konstruktionsgruppen der namhaften Flugzeugwerke ihre Projekte ein. Messerschmitt und Tank waren mit mir der Meinung, dass die gestellten Forderungen und Bedingungen zu einem Flugzeug führen mussten, das in seinen technischen und taktischen Leistungen kaum noch interessant, wahrscheinlich sogar ein glatter Fehlschlag werden musste. Schon die Berechnungen ergaben auf jedem Gebiet ein Minimum. Die Flugzeugindustrie hatte damals nach Streichung der Bomber vom Programm Kapazität frei. Besonders traf dieses für die Heinkel-Flugzeugwerke zu. Das Rüstungsministerium und das Amt der technischen Luftrüstung hatten sich bereits auf den Entwurf von Heinkel geeinigt, der unter der Typenbezeichnung He 162 lief. Ich hatte von vornherein in schärfster Form gegen das Volksjägerprojekt opponiert. Dabei waren für mich, im Gegensatz zu den Schöpfern der Idee, nur fachliche Gründe, wie zu geringe Leistung, Flugzeit und Bewaffnung, schlechte Sichtverhältnisse und ungenügende Flugsicherheit maßgebend. Ich war ferner der Überzeugung, dass dieses Flugzeug bis zum Kriegsende nicht mehr zu einem lohnenden Einsatz gebracht werden könne. Der ungeheure Aufwand an Arbeitskraft und Material musste der Me 262 verlorengehen. Auf diesen erprobten Düsenjäger mussten meiner Meinung nach alle Kräfte konzentriert werden, um aus den uns verbliebenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen. Verzettelte man sich in dieser letzten Phase des Krieges nochmals, dann waren alle Anstrengungen umsonst. Am 23. September 1944 fand im Hauptquartier bei Rastenburg die vom Reichsmarschall einberufene entscheidende Volksjägerbesprechung statt. Ich hatte gehofft, von der Mehrzahl der etwa zwanzig Teilnehmer – wie mit diesen vorher besprochen – in meiner Ablehnung unterstützt zu werden. Aber ich blieb mit meiner Forderung, die He 162 zu Gunsten der Me 262 zurückzustellen, mit dem Chef des Generalstabes allein. Mein Vorschlag ging dahin, die Serienausbringung der erprobten Me 262 durch Lizenzbau in allen Flugzeugwerken mit freier Kapazität zu steigern und außerdem alle diese Flugzeuge nur in der Luftverteidigung des Reiches einzusetzen. Das trug mir einen scharfen Verweis Görings ein, etwa in dem Sinne: So etwas ist doch unerhört! Jetzt lehnt der General der Jagdflieger ein Turbojagdflugzeug ab das ihm von der Rüstung zu Tausenden innerhalb weniger Monate angeboten wird! – Hitler, der offenbar durch Beauftragte über den Verlauf der Reichsmarschallbesprechung unterrichtet war, verlangte innerhalb einer Stunde eine schriftliche Begründung meiner Ablehnung des Volksjägers. Dies war einer der letzten Nägel für meinen Sarg als General der Jagdflieger. Das Volksjägerprojekt aber wurde durchgepeitscht. Vorbereitet wurde sein Masseneinsatz mit jugendlichen Piloten nach flüchtiger Segelflugausbildung, während Fertigung und Einsatz durch die Gauleiter unterstützt und überwacht werden sollten. Der Volksjäger sollte eine Art „levee en masse“ zur Luft darstellen. Unglaubliche Termine wurden festgelegt, astronomische Ausbringungszahlen geplant. Göring selbst wurde das Opfer der nationalen Raserei, in welche die Volksjägerplanung fast alle an der Luftverteidigung Beteiligten versetzen sollte. „Hunderte! Tausende! Zigtausende!“ rief er. „Bis der Feind über die Grenzen Deutschlands zurück gejagt sein wird!“ Einen Vorteil hatte dieses Projekt tatsächlich: Es war technisch einfach unmöglich, dem winzigen Flugzeug eine Bombe unter zu hängen und es zum Blitzbomber zu erklären. Gegenüber der Me 262 als Jäger aber bedeutete die He 162 in jeder Beziehung einen erheblichen Rückschritt…“

Gottfried Wilhelm Leibniz

Wir verwundern uns über den äußerlichen Glanz der fremden Lande, durch die wir reisen, und bedenken nicht, das allemal das beste zur Schau herausgeleget: sie wissen besser als wir ihre Ungelegenheiten zu verbergen, aber wer in das Innere schauet, siehet ihr Elend, und muß unser Deutschland loben, dessen raues Ansehen einen nährenden Saft in sich hält; denn seine Hügel fließen mit Wein und seine Täler triefen mit Fett. Wenn der Herr Friede giebet, so wohnet Freude und Wonne in unsern Mauern. Gesegnet ist dies Land, wenn es den Herrn fürchtet, und wenn seine Inwohner die Tugend lieben. Gott hat den Deutschen Stärke und Mut gegeben, und es reget sich ein edles Blut in ihren Adern. Ihre Aufrichtigkeit ist ungefärbet, und ihr Herz und Mund stimmen zusammen. Wer höret bei uns von Vergiftungen, damit man anderswo eigne Gerichte bemühet, und wie will man in diesen Landen Meuchelmörder und falsche Zeugen gleichwie Lehnpferde ums Lohn zu dingen finden. Wir hören von fremder Bosheit reden gleichwie von seltsamen Wundertieren; und da auch gleich einige Glieder angestecket, so kann man doch sagen, daß der Leib gesund sei. Was ist edler als die deutsche Freiheit, und sagte nicht jener tapfere Fürst recht, Deutschland sei ein freies Reich und billig das freieste auf der Welt? Ich weis, einige Klugdünkende werden meiner allhier spotten. Ihr hochfliegende Verstand ist dahin kommen, daß sie die Religion vor einen Zaum des Pöbels, und die Freiheit vor eine Einbildung der Einfältigen halten. Bald sagen sie, es habe der Kaiser die Stände unterdrücket, bald wollen sie uns bereden, daß die Stände selbst ihre Untertanen mit einer harten Dienstbarkeit beschwehren. Solche Leute soll man billig fliehen und hassen, gleichwie die so die Brunnen vergiften. Denn sie wollen die Brunquell gemeiner Ruhe verderben und die Zufriedenheit der Gemüter verstören, gleichwie die so schreckliche Dinge aussprengen, und dadurch die Herzen der Menschen ängstigen; sie sind denen gleich, so einen Gesunden bereden, daß er krank sei, und verursachen dadurch, daß er sich lege; anstatt daß sie unsre Wunden mit Öl lindern sollten, so reiben sie solche mit Salz und Essig. Aber wir sind Gottlob noch nicht so unglücklich, und unser Kleinod ist noch nicht verloren; unsre Krone ist noch nicht von uns genommen; aber unsre Wohlfahrt steht in unsern Händen. Ich habe allezeit dafür gehalten, und bin noch nicht davon zu bringen, daß das Deutsche Reich wohl geordnet, und in unser Macht sei glückselig zu sein.“

Es besteht also kein Zweifel daran, daß unser großer deutscher Denker und Naturforscher Gottfried Wilhelm Leipzig schon immer unser – im Sinne Schillers – war und es nicht erst wurde als die alten weißen Männer allesamt für böse erklärt worden sind. Früher haben sich die Umerzogenen der beiden Observanzen nämlich noch mit deutschen Geistesgrößen wie unserem Leibniz zu schmücken versucht. Das ist nun wahrlich vorbei und so können wir den Geburtstag von unserem Leibniz ungestört feiern. Zu Leipzig im Sachsenland erblickte er 1646 das Licht der Welt und studierte ab 1661 an den Hochschulen von Leipzig und Jena. In den Dienst der Welfen trat er 1676 und wirkte als deren Büchermeister und Geschichtsschreiber. Später fand er auch eine Wirkungsstätte in unserer preußischen Hauptstadt Berlin. Denn unsere Preußenkönigin Sophie Charlotte förderte ihn gar sehr. Mit ihrer Hilfe konnte er im Jahre 1700 auch die berühmte Akademie der Wissenschaften gründen. Im Jahre 1713 erhob unser Kaiser Karl der Sechste unseren Leibniz zum Freiherrn. „Metaphysische Abhandlung“, „Ermahnung an die Deutschen“, „Monadologie“, „Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand“, „Die Theodizee“, „Die Vernunftprinzipien der Natur und der Gnade“, „Protogaea oder Abhandlung von der ersten Gestalt der Erde“ oder „Die Grundlagen des logischen Kalküls“ lauten die Namen der Schriften unseres Leibniz und deren Anschaffung ist natürlich Pflicht. Ebenso Pflicht ist der Vortrag aus den Werken unseres Denkers. Liest man die Streitschrift „Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache“ von unserem Leibniz, so könnte man meinen, er hätte etwas vom Aufkommen des halb-englischen Kauderwelsch der heutigen, finsteren Tage geahnt: https://www.uni-giessen.de/fbz/fb05/germanistik/absprache/sprachverwendung/gloning/tx/lbnz-ug.htm

„I. Es ist bekannt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und daß die Völker, wenn sie den Verstand hoch schwingen, auch zu gleich die Sprache wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber Beispiele zeigen.

II. Die deutsche Nation hat unter allen Christlichen den Vorzug, wegen des Heiligen Römischen Reichs, dessen Würde und Rechte sie auf sich und ihr Oberhaupt gebracht, welchem die Beschirmung des wahren Glaubens, die Vogtei der allgemeinen Kirche, und die Beförderung des Besten, der ganzen Christenheit oblieget, daher ihm auch der Vorsitz über andere hohe Häupter ohnzweifentlich gebühret und gelassen worden.

III. Derowegen haben die Deutsche sich desto mehr anzugreifen, daß sie sich dieser ihrer Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger an Verstand und Tapferkeit zuvor tun mögen, als sie ihnen an Ehren und und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen. Derogestalt können sie ihre Mißgünstige beschämen, und ihnen wider ihren Dank eine innerliche Überzeugung und wo nicht äußerliche Bekenntnis der deutschen Vortrefflichkeit abdringen.

Ut qui confessos animo guoque subjugat hostes.

IV. Nachdem die Wissenschaft zur Stärke kommen, und die Kriegszucht in Deutschland aufgerichtet worden, hat sich die deutsche Tapferkeit zu unsern Zeiten gegen morgen- und abendländische Feinde, durch große von Gott verliehene Siege wiederum merklich gezeiget; da auch meistenteils die gute Partei durch Deutsche gefochten. Nun ist zu wünschen, daß auch der Deutschen Verstand nicht weniger obsiegen, und den Preis erhalten möge; welches ebenmäßig durch gute Anordnung und fleißige Übung geschehen muß. Man will von allem dem, so daran hanget, anitzo nicht handeln; sondern allein bemerken, daß die rechte Verstandesübung sich finde, nicht nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vor nämlich im gemeinen Leben unter der großen Lehrmeisterin, nämlich der Welt, oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüter zusammen füget.

V. Es ist aber bei dem Gebrauch der Sprache, auch dieses sonderlich zu betrachten, daß die Worte nicht nur der Gedanken, sondern auch der Dinge Zeichen sein, und daß wir Zeichen nötig haben, nicht nur unsere Meinung andern anzudeuten, sondern auch unsern Gedanken selbst zu helfen. Denn gleichwie man in großen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zettel oder Marken, bis zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedienet; also tut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, daß er nämlich Zeichen da für brauchet, damit er nicht nötig habe, die Sache jedesmal so oft sie vorkommt, von neuen zu bedenken. Daher wenn er sie einmal wohl gefasset, begnügt er sich hernach oft, nicht nur im äußerlichen Reden, sondern auch in den Gedanken und innerlichen Selbstgespräch das Wort an die Stelle der Sache setzen.

VI. Und gleichwie ein Rechenmeister der keine Zahl schreiben wollte, deren Halt er nicht zugleich bedächte, und gleichsam an den Fingern abzählete, wie man die Uhr zählet; nimmer mit der Rechnung fertig werden würde: Also wenn man im Reden und auch selbst im Gedenken kein Wort sprechen wollte, ohne sich ein eigentliches Bildnis von dessen Bedeutung zu machen, würde man überaus langsam sprechen, oder vielmehr verstummen müssen, auch den Lauf der Gedanken notwendig hemmen, und also im Reden und Denken nicht weit kommen.

VII. Daher braucht man oft die Wort als Ziffern, oder als Rechenpfennige, an statt der Bildnisse und Sachen, bis man Stufenweise zum Fazit schreitet, und beim Vernunftschluß zur Sache selbst gelanget. Woraus erscheinet, wie ein Großes daran gelegen, daß die Worte als Vorbilde und gleichsam als Wechselzettel des Verstandes wohl gefasset, wohl unterschieden, zu länglich, häufig, leichtfließend und angenehm sein.

VIII. Es haben die Wisskünstler (wie man die so mit der Mathematik beschäftiget, nach der Holländer Beispiel gar füglich nennen kann) eine Erfindung der Zeichenkunst, da von die sogenannte Algebra nur ein Teil: Damit findet man heute zu Tage Dinge aus, so die Alten nicht erreichen können, und dennoch bestehet die ganze Kunst in nichts, als im Gebrauch wohl angebrachter Zeichen. Die Alten haben mit der Kabbala viel Wesens gemacht, und Geheimnisse in den Worten gesuchet, und die würden sie in der Tat in einer wohlgefasseten Sprache finden: als welche dienet, nicht nur vor die Wisskunst, sondern für alle Wissenschaften, Künste und Geschäfte. Und hat man demnach die Kabbala oder Zeichenkunst nicht nur in denen Hebräischen Sprachgeheimnissen, sondern auch bei einer jeden. Sprach nicht zwar in gewissen buchstäblichen Deuteleien, sondern im rechten Verstand und Gebrauch der Worte zu suchen.

IX. Ich finde, daß die Deutschen ihre Sprache bereits hoch bracht, in allen dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen, und auch dem gemeinen Mann fürkommet; absonderlich in leiblichen Dingen, auch Kunst und Handwerkssachen, weil nämlichen die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftiget gewesen, und die Muttersprache dem gemeinen Lauf überlassen, welche nichts desto weniger auch von den so genannten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. Und halt ich dafür, daß keine Sprache in der Welt sei, die (zum Exempel) von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die Deutsche. Dergleichen kann man von allen andern gemeinen Lebens-Arten und Professionen sagen, als von Jagd- und Waidwerk, von der Schiffahrt und dergleichen. Wie dann alle die Europäer so auf großen Weltmeer fahren, die Nahmen der Winde und viel andere Seeworte von den Deutschen, nämlich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet…“

Konrad Zuse

Konrad Zuse, seines Zeichens der Erfinder des Computers, hat heute Geburtstag. Das Licht der Welt erblickte er 1910 in Wilmersdorf. Die Erfinderei war ihm nicht in die Wiege gelegt, aber seit früher Jugend zeigte er große Begeisterung bei der Bastelei. Sein Studium schloß er 1935 mit dem Ingenieursdiplom ab. Mit seiner Z1 (1937) und Z2 (1940) lieferte er zwei Vorläufer ab, bevor ihm 1941 mit der Z3 der Durchbruch gelang. Die Z3 fiel den Luftangriffen der Landfeinde zum Opfer, aber deren Nachfolger Z4 konnte er über den Krieg retten und sie bildete die Grundlage für den Aufbau seiner Firma, der Zuse KG. Ein Computer ohne Programmiersprache ist freilich wenig nützlich und so erdachte sich unser Zuse bis 1946 Plankalkül, die erste höhere Programmiersprache der Welt. Zehn Jahre vor FORTAN, ALGOL und COBOL. Erste praktische Anwendungen fanden Zuses Computer etwa bei der Flügelvermessung im Flugzeugbau. 1945 ehelichte er Gisela Brandes, mit der er fünf Kinder hatte. Unser Erfinder arbeitet nun am Nachfolger seiner Z3, der Z4 und betreibt auch etwas Industriespionage:

„1942 begannen wir mit dem Bau der Z4, einer Weiterentwicklung der Z3. Auch die Z4 war noch voll auf die Elektromechanik abgestellt, wie es dem damaligen Stand der Technik entsprach. Für das Speicherwerk empfahl sich die mechanische Konstruktion; Rechenwerk und Steuerungen wurden mit Relais und Schrittschaltern aufgebaut. Um dem Gerät von der Programmierseite her eine größere Flexibilität zu geben, wurden mehrere Ausbaustufen mit mehreren Abtastern und Lochern vorgesehen. In der Anlage IV des Wissenschaftlichen Anhangs ist darüber ein eingehender Bericht gegeben. Die Arbeiten an der Z4 wurden schon stark durch den Bombenkrieg behindert. Mehrmals ist mein Betrieb beschädigt worden; die Z4 mußte während des Krieges innerhalb Berlins dreimal ihren Platz wechseln. Es geschah in einer der vielen Bombennächte, als ich wieder einmal durchs Haus ging, um nach eingeschlagenen Brandbomben zu sehen, daß ich, auf dem zweiten Treppenabsatz stehend, über mir ein Krachen hörte. Im letzten Augenblick sprang ich unter einen Türrahmen, und neben mir stürzte die Treppe zusammen. Ich tastete mich mühsam über Trümmer hinweg in den Keller. Diesmal konnte ich nicht, wie schon so oft zuvor, die Stubenbrände mit einer Handspritze löschen. Das Haus brannte ab. Ich hatte noch Zeit, einiges zu retten, unter anderem die zitierten Tagebuchnotizen aus den Jahren 1937 und 1938. Auch hatten wir die wichtigsten Konstruktionszeichnungen schon ausgelagert und an anderer Stelle sicher untergebracht. Dennoch und in dieser Nacht wichtige Unterlagen, vor allem Skizzen und Pläne aus der Frühzeit des Computerbaus verlorengegangen. Im Nachhinein muß ich auch gestehen, daß ich damals nicht einmal unbedingt bemüht war, ausgerechnet die historischen Unterlagen zu retten. Das Gefühl für den Wert solcher Dokumente kommt leider erst mit der Zeit. Die anfliegenden Bomberverbände wurden damals über den Rundfunk angesagt. Nicht selten stand ich dann gerade an der Maschine und versuchte, sie in Gang zu bringen. Mehr als einmal ging ich nicht rechtzeitig in den Keller. Ich entsinne mich noch, wie ich auf der Z3 ein schwieriges neues Programm ausprobierte, das zum ersten Mal während eines Bombenangriffs funktionierte. Später wurde ich dann oft gefragt, was ich in diesem Augenblick empfinden hätte. Dazu ist vielleicht zu sagen, daß ein solches Gerät immer abschnittweise fertig wird und viele Vor- und Zwischenprüfungen erfordert. Abgeschlossen ist eine solche Konstruktion eigentlich nie. Es sind immer wieder Mängel abzustellen oder Neuerungen einzubauen. Sind dann nach wochen- oder monatelangen Bemühungen die Voraussetzungen gegeben, daß das Gerät einwandfrei arbeiten müßte, so ist der Augenblick, in dem nur noch der Startknopf zu drücken ist, natürlich besonders spannend. Ich selber hatte vor diesem Augenblick aber immer eine ausgesprochene Scheu. Zu oft habe ich die Enttäuschung erlebt, daß das Gerät doch noch Fehler hatte, die zu suchen und zu beseitigen wieder längere Zeit erforderte. Diese Fehlersuche nimmt überhaupt den größten Teil der Arbeitszeit und der Energie eines Erfinders in Anspruch. Um so etwas jahrelang durchzustehen, braucht es gute Nerven. Zähigkeit führt da nicht selten eher zum Erfolg als Intelligenz und Ideenreichtum. Arbeitet das Gerät nach einer Entwicklungsphase aber doch einmal auf Anhieb, so muß man dieses Glück, von dem man kaum zu träumen wagte, erst verdauen. Die eigentliche Freude kommt viel später. Die Geschichte, daß eines meiner Geräte während eines Bombenangriffs zum ersten Mal richtig arbeitete, ist, so gesehen, eben auch nur bedingt wahr. Während des letzten Kriegsjahres erfuhr ich durch Zufall und auf etwas abseitigen Wegen, daß man auch in den USA an der Entwicklung automatischer Rechenmaschinen arbeitete: Die Tochter meines damaligen Buchhalters arbeitete beim deutschen Geheimdienst und wußte durch ihren Vater von unserer Arbeit. Natürlich hätte er ihr nichts erzählen dürfen, denn solche Dinge fielen damals unter das Kriegsgeheimnis. Aber die Tochter revanchierte sich mit der Erzählung von einem Foto, das der deutsche Geheimdienst besitze und das ein ähnliches Gerät zeige. Eine interessante Geschichte. Was aber tun, um Näheres zu erfahren? Auf direktem Wege war an das Foto nicht heranzukommen; denn dann hätten beide zugeben müssen, daß die geplaudert hatten. Also machten sich eines Tages zwei meiner Mitarbeiter auf zum Geheimdienst, präsentierten eine offizielle Bescheinigung des Luftfahrtministeriums und fragten an, ob irgendwelche Informationen über vergleichbare oder ähnliche Entwicklungen im Ausland vorlägen. Nein, hieß es, davon sei nichts bekannt. Meine Mitarbeiter aber wußten sogar die Schublade, in der das Foto liegen mußte, und ließen nicht locker, bis sie es tatsächlich in Händen hatten. Es zeigte das Gerät MARK 1, das Professor Aiken von der Harvard University gebaut hatte. Leider konnten wir dem Foto keine Einzelheiten entnehmen; es war lediglich zu erkennen, daß es sich um einen „sequence controlled calculator“ handeln mußte. Genaueres über die Computerentwicklung in den USA erfuhren wir erst nach dem Krieg. Ich werde später noch davon berichten…“

Die Erstürmung der englischen Festung Tobruk (Unternehmen Theseus)

Mit der Einnahme von Tobruk im Jahre 1942 erfocht sich unser Wüstenfuchs Rommel seinen Marschallstab. Nachdem er die englische Festung 1941 vergeblich belagert hatte, nahm er diese nun im Handstreich ein. Davor hat er nämlich die 8. englische Armee in der Marmarica zerschmettert und dabei den Engländern einen Verlust von 400 Geschützen, 1000 Panzern und 45,000 Gefangene zu. Zur Feier des Tages lesen wir Panzertiere ein wenig aus Rommels Panzerbuch „Krieg ohne Haß“ – mit den Planungen des Unternehmens Theseus beginnt unser Wüstenfuchs Rommel nun:

„Nordafrika war wohl der Kriegsschauplatz, auf dem sich der Krieg in seiner modernsten Form abspielte. Träger des Kampfes auf beiden Seiten waren vollmotorisierte Verbände, für deren Einsatz in dem flachen und hindernislosen Wüstengelände ungeahnte Möglichkeiten bestanden. Nur hier konnten die Grundsätze der Panzerführung wie man sie vor dem Kriege theoretisch gelehrt hat, völlig zur Anwendung kommen, vor allem aber weiterentwickelt werden. Nur hier spielten sich reine Panzerschlachten größerer Verbände ab. Wenn auch zeitweise der Krieg zum Stellungs- und Infanteriekrieg erstarrte, so lag ihm doch in seinen wichtigsten Phasen 1941/42 während der Cunninghamoffensive und im Sommer 1942 (Schlacht in der Marmarica, Eroberung Tobruks) das Prinzip völliger Beweglichkeit zu Grunde. Dies war in der Praxis völlig militärisches Neuland, denn unsere Offensivstöße in Polen und im Westen hatten noch einen Gegner getroffen, der operativ stark auf seine nichtmotorisierten Infanteriedivisionen Rücksicht nehmen mußte, was besonders beim Rückzug eine katastrophale Beschränkung der taktischen Entschlußfreiheit bedeutete. Oftmals zwang diese Tatsache den Feind zu Entschlüssen, die keineswegs geeignet waren, unseren Vormarsch aufzuhalten. Die Infanteriedivisionen unserer Gegner wurden in Frankreich nach erfolgtem Durchbruch einfach von unseren motorisierten Verbänden überholt und überflügelt. Dann mußten sich die gegnerischen operativen Reserven in oft ungünstigen taktischen Positionen von unseren Offensivgruppen aufreiben lassen, um Zeit für einen Rückmarsch der Infanterieverbände zu gewinnen. Nichtmotorisierte Infanteriedivisionen sind einem motorisierten und gepanzerten Gegner gegenüber nur in ausgebauten Stellungen von Wert. Ist diese Stellung durchbrochen oder umgangen, sind sie bei einem Rückmarsch hilflos dem Feinde ausgeliefert und können im äußersten Fall in ihrer Stellung noch Widerstand bis zur letzten Patrone leisten. Auf dem Rückmarsch bereiten sie ungemeine Schwierigkeiten, da sie, wie erwähnt, den Einsatz der motorisierten Verbände zum Zeitgewinn erfordern. Ich selbst habe diese Erfahrung bei dem Rückzug der Panzergruppe aus der Cyrenaica im Winter 1941/42 machen müssen, da nahezu die gesamten italienischen und starke deutsche Infanterieverbände über keine Fahrzeuge verfügten und teils durch Kolonnen im Pendelverkehr abtransportiert wurden, teils abmarschieren mußten. Nur der Bravour meiner motorisierten Verbände war es zu verdanken, daß der Rückmarsch der deutsch-italienischen Infanterieeinheiten gedeckt werden konnte, denn die vollmotorisierten Briten drängten scharf nach. Auch Grazianis Mißerfolge sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß ein Großteil der italienischen Armee nichtmotorisiert den zwar schwächeren, aber vollmotorisierten Briten in der offenen Wüste hilflos ausgeliefert war. Die schwachen italienischen motorisierten Verbände konnten sich eigentlich nicht den Briten mit Aussicht auf Erfolg entgegenwerfen, mußten sich aber trotzdem zum Schutz der Infanterie zum Kampf stellen und vernichten lassen…“

Die Schlacht bei Fehrbellin

Für das Kurfürstentum Brandenburg, unser nachmaliges Preußen, stellte die Schlacht von Fehrbellin einen wahren Quantensprung dar. Der Sieg über die Schweden im Jahre 1675, der in deutlicher Unterzahl – 5600 brandenburgische Reiter gegen 11,000 Schweden – erfochten worden ist, zeigt wie sehr Brandenburg unter unserem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm vom Spielball anderer Mächte zu einem selbstständigen Staat geworden war. Durch das befehlswidrige Handeln des Prinzen von Homburg wurde die Schlacht zur nicht wie geplant geschlagen, aber dennoch gewonnen. Mit einem Verlust von 4000 Mann mußte sich der schwedische Feldherr Wrangel zurückziehen. Dem stand ein Verlust von 500 Mann auf Seiten unserer Brandenburger gegenüber. Im Zuge seines Gegenangriffs nimmt unser Großer Kurfürst nun die pommersche Hauptstadt Stettin ein: http://friedrich.uni-trier.de/de/volz/1/uc_p1/

„Der Kurfürst, der während des Winters Stettin eingeschlossen gehalten hatte, ließ am 6. Juni 1677 die Laufgräben vor der Stadt eröffnen. Die Brandenburger griffen vom linken Oderufer aus an. Die Lüneburger, die sich dem Kurfürsten angeschlossen hatten, schoben ihre Gräben vom rechten Ufer aus vor. Die Belagerung dauerte von der Eröffnung der Laufgräben ab sechs Monate. Die Befestigungen von Stettin bestanden aus Erdwällen, die von einem Graben umgeben und durch einen schlechten Gegenwall geschützt waren. Ein paar Schanzen waren die einzigen Außenwerke. Bei der heutigen Methode wäre eine so elende Festung nicht imstande gewesen, langen Widerstand zu leisten. Doch nur an Feldkriege gewöhnt, besaßen die kurfürstlichen Truppen damals keine Erfahrung im Belagerungswesen. Sie eigneten sich trefflich für Handstreiche, führten aber zu wenig grobes Geschütz, zu wenig Mörser mit sich, und vor allem fehlte es ihnen an geschickten Ingenieuren. Stettin kapitulierte am 24. Dezember. Die Besatzung war auf 300 Mann zusammengeschmolzen, und die Berichte aus jener Zeit versichern, die Belagerer hätten vor Stettin 10,000 Mann verloren. Es liegt aber auf der Hand, daß diese Zahl übertrieben ist. Entweder glaubten die Chronisten, eine Belagerung könne nur nach Maßgabe der Menschenzahl, die sie koste, berühmt werden, oder sie wurden selber durch falsche Angaben getäuscht. Die größten Festungen, die mit Mauern, Kasematten und Minen versehen sind und von großen Heeren belagert werden, kommen den Fürsten, die sie erobern, nicht so teuer zu stehen wie dies schlechte Bollwerk den Brandenburgern, wenn jene Chronisten recht hätten. Nach der Einnahme der Stadt zogen die Lüneburger sich in ihr Land zurück. Die glänzenden Erfolge, die der Kurfürst über seine Feinde errang, riefen am kaiserlichen Hofe nicht den günstigen Eindruck hervor, den man hätte erwarten sollen. Der Kaiser wünschte sich schwache Vasallen und bescheidene Untertanen, nicht reiche Fürsten, machtvolle Kurfürsten. Da das Ziel seiner Politik war, ein despotisches Regiment zu errichten, durfte die Macht der Fürsten ein bescheidenes Maß nicht übersteigen. Sie mußten also in ihrer Ohnmacht erhalten werden. Seine Ratgeber, unter anderen ein gewisser Hocher, hatten sogar die Unverschämtheit, zu sagen: „Man sieht zu Wien mit Kummer, daß ein neuer König der Vandalen am Ufer der Ostsee emporkommt.“ Man hätte entweder dies Wachstum dulden und dazu schweigen oder aber Mittel und Wege finden müssen, um es zu hindern…“

Bei unserem Geschichtsschreiber Adolph Schneidawind in „Der Überfall von Rathenow und die Schlacht bei Fehrbellin“ stehen wir freilich erst am Vorabend des Handstreiches auf die Schweden: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10014147_00001.html

„Der Landrat von Briest ließ von Bähne am 14. noch, in Folge Verabredung, ganze Ladungen von Bier und Branntwein nach Rathenow fahren. Als er in der Abenddämmerung vor dem Tore ankam, rief er der Schildwache zu: „Mokt up, ick bin Briest, ick breng ju Behr!“ (Macht auf, ich bin Briest, ich bringe Euch Bier!) Auch lieferte er dieses Mal noch ausgeschriebene Geldkontributionen ab. Als ein Mann von außerordentlich starker Natur, hatte er schon einige Male, sowohl auf seinem Gute als auch in Rathenow, schwedische Offiziere unter den Tisch getrunken. Er war daher allgemein beliebt, allgemein bekannt, kam heute recht erwünscht und angenehm und durfte einziehen. Die Wachen erhielten von ihm, was sie wünschten: Bier im Überflusse. Das Übrige ließ er in die Stadt fahren und teilte es da unter die Besatzung aus. Mitten unter den heiteren und vollem Zechen, schlich sich Briest von den Schweden weg, und zog einige vertraute Bürger auf die Seite. Diesen machte er die Ankunft des Kurfürsten und ihre nahe Rettung bekannt. Mit freudigem Erstaunen horchten die Bürger bei dieser Nachricht hoch auf, und Briest mußte seine ganze Beredsamkeit anwenden, um sie zur Mäßigung und zur Unterdrückung des lauten Ausbruches ihrer Freude zu bewegen. Er gab ihnen hierauf den Rat, in geheimer Verbindung mit ihren übrigen Mitbürgern, den einquartierten Dragonern, so viel Bier, Branntwein, Wein zu geben, als sie immer nur aufbringen könnten; in dem Augenblicke aber, wo der Kurfürst und seine Truppen in die Stadt eindringen würden, dem geliebten Landesherrn den Sieg erleichtern zu helfen. „Hierzu“ – setzte Briest bei – „habt ihr Beruf und das vollkommenste Recht; denn nur gegen einen regelmäßigen und menschlichen Feind würde ein solches Betragen unerlaubt und hinterlistig sein; die Schweden hingegen haben dasselbe vollkommen verdient; denn sie betragen sich nicht als Soldaten, sondern als die schändlichsten Räuber.“ In Rathenow zechten die Schweden, und waren guter Dinge. Sie ahneten nichts weniger als eine nahe Gefahr, und selbst da noch, als der Kurfürst ihnen ganz nahe war, um sie zu überfallen. Ehe wir zu den Angriffen des Kurfürsten auf die Schweden übergehen, sei es erlaubt, einige Worte über die Landesbeschaffenheit des Teiles der Mark, in welchem wir Friedrich Wilhelm fechten und siegen sehen werden, aus dem Munde eines Wohlverständigen zu geben: Es ist bekannt, daß die Mark Brandenburg, wie das nördliche Deutschland im Allgemeinen, aus einem ebenen oder wellenförmigen Sandboden und abwechselnd aus Sümpfen bestehet. Der Landstrich, den wir hier zu betrachten haben, enthält in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit bei weitem weniger Sumpfland, als im siebzehnten Jahrhundert vorhanden war; diese Bemerkung gilt zumal für das sogenannte Havelland, das heißt für die Gegend zwischen der Havel, dem Rhin und der Dosse. Denn dieser Bezirk war in jener Zeit mit, für den nicht Einheimischen undurchdringlichen, Bruchgegenden bedeckt. Dafür spricht zum Beispiel, daß als im August des Jahres 1640 eine kleine Abteilung schwedischer Reiter vom Dorfe Sommerfeld über Kremmen nach Schwante und Fehlefanz vordrang, um sich der Pferde dieser Ortschaften zu bemächtigen, Bauern der Nachbarschaft, welche diese Truppen geführt hatten, sich nicht getraueten, den Weg über den Cremmer-Damm zu nehmen, da man ihn wegen des Wassers für unzugänglich hielt; und erst dann wagten sie den Marsch anzutreten, nachdem man durch einen Jäger aus Sommerfeld erfahren hatte, daß vor einiger Zeit ein brandenburgischer Offizier den Cremmer-Damm passiert habe. Wer ahndet gegenwärtig solche Schwierigkeiten in jener Gegend? Erst 1718 wurde der Hauptkanal, der die westlichen Entwässerungsfluten in die untere Havel führt, bei Hohen-Nauen angefangen. Im nämlichen Jahre wurde der Damm von Dechtow nach Königshorst, welches Amt 1719 erbaut ist, mit Mühe durch das Bruchland geführt. Dieses wurde Anfangs nur zu Fettweiden benutzt, und erst 1724 fing man den Getreidebau bei Königshorst an. Diese so erfolgreich ausgeführte Urbarmachung hat ihren Einfluß auf die ganze Gegend zwischen Rathenow, Brandenburg, Fehrbellin und Oranienburg ausgeübt. Denn vor der Entwässerung erscheinen die im Havellande angebauten Dorfstätten und Feldfluren gleichsam als höher liegende, über den Spiegel der Sümpfe und Seen erhobene Inseln. Seit der Zeit haben in diesem Lande die Menschen, mit ihrem Triebe zur Tätigkeit und mit dem Bestreben zum Erwerbe eines erweiterten Besitzes, ihre Ackerfelder nach allen Richtungen hin in dem Maße, wie das Wasser zurücktrat, ausgedehnt, überall sind seit jenem Zeitpunkte an den Umsäumungen der Brüche Kolonien und Wohnstätten begründet. Belohnt erntet jetzt der Landmann, und auf sichern Kunststraßen durcheilen nun Gewerbtreibende und Reisende in grader Richtung jene unabsehbaren und unergründlich geglaubten Sumpfstrecken, wo vor wenig mehr als hundert Jahre Wölfe unerreichbare Schlupfwinkel fanden, aus denen sie die unbewachten Herden der Nachbarschaft überfielen. Es darf ferner, da es für unsern Gegenstand wichtig ist, nicht unerwähnt bleiben, daß die Jahre 1670–75 sehr naß und regnigt, und gleich reich an Überschwemmungen war. Die Zeitgenossen, und so weiter teilen ausdrücklich mit, daß während der entscheidenden Tage des Feldzuges fast unaufhörlich regnete… Aus dem Gesagten geht hervor, daß diese Gegend den Bewegungen großer Kavalleriemassen im 17ten Jahrhunderte bei weitem weniger günstig war, als sie es gegenwärtig ist. Durch diesen Umstand wird der Verdienst des fürstlichen Feldherrn um so mehr gesteigert, da er einen Teil der wichtigsten Bewegungen und Schläge nur mit Reiterei aus führte. Die Gegend um Fehrbellin, Nauen und Oranienburg ist die höher liegende des Havellandes. Alle fließende Wasser strömen dort herab nach Spandau, Brandenburg und Rathenow, um sich mit der Havel vermischt, Werben gegenüber in die Elbe zu ergießen. Auch dieses Verhältnis darf nicht ganz unbeachtet bleiben, denn wenn auch die Ansteigung des Landes gegen Nord-Ost hin nicht so bedeutend ist, daß sehr große Hindernisse dem von Süd-West her Angreifenden daraus erwüchsen: so wird sie dennoch, zumal bei so schnellen Märschen, wie den im Jahre 1675 ausgeführten, fühlbar.“ …“

Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern

Die gewaltige Schlacht auf den Katalaunischen Feldern wurde am heutigen Tag im Jahre 451 geschlagen. In dieser schlug ein römisch-deutsches Heer den Hunnenkönig Attila. Die Römer befehligte der Heermeister Flavius Aetius und der westgotische König Theoderich führte unsere deutschen Stämme in die Schlacht. Neben den Westgoten fochten nämlich noch die Franken, Sachsen und Burgunder gegen die Hunnen. Auf deren Seite wiederum die Gepiden und Ostgoten standen. Den beiderseitigen Verlust gibt der Geschichtsschreiber Jordanes auf 180,000 Mann an und es ist schwer zu sagen, ob diese Angabe stimmt. Denn die spätaltertümlichen pflegten doch deutlich kleiner zu sein. Die Folge des Abwehrsieges in Gallien war die Unterbindung der hunnischen Eroberung Europas. Beim Jordanes bringt sich nun der römische Heermeister Flavius Aetius um die Möglichkeit, die Hunnen vernichtend zu schlagen, indem er deren jungen König Thorismund Furcht vor inneren Wirren wegen des Todes seines Vaters einflößt: https://archive.org/details/jordanesgotheng00jordgoog

Während der Verzögerung durch die Belagerung aber suchten die Westgoten ihren König, die Söhne den Vater, und sie wunderten sich über seine Abwesenheit, während ihnen doch so viel Erfolg beschieden war. Als sie längere Zeit nach ihm geforscht hatten, wie es bei tapferen Männern Sitte ist, fanden sie ihn auf dem dichtesten Leichenhaufen und brachten ihn unter ehrenvollen Gesängen weg, während die Feinde dies beobachteten. Man konnte große Ansammlungen von Goten sehen, die mit ihren unharmonischen Stimmen noch wie im tobenden Krieg dem Leichnam die letzte Ehre erwiesen. Tränen wurden vergossen, aber solche, die für tapfere Männer zu fließen pflegen. Denn er hatte zwar den Tod erlitten, aber durch das Zeugnis der Hunnen einen überaus ruhmreichen, durch den man glaubte, den Hochmut der Feinde gebrochen zu haben, wenn diese sahen, wie man den Leichnam eines solchen Königs mit seinen Ehrenzeichen hinaustrug. Die Goten aber zollten Theoderich die geschuldete Ehre und mit Waffengeklirr trugen sie den königlichen Leichnam zu Grabe. Der überaus tapfere Thorismund folgte den viel gepriesenen Manen des hochberühmten Vaters, wie es sich für den Sohn gehörte, im Trauerzug für den Vater. Nachdem dies vollbracht war, beriet er sich – bewegt vom Schmerz über den Verlust und durch den Antrieb seiner Tapferkeit, welche bei ihm sehr viel vermochte, während er sich beeilte, den Tod des Vaters an den übrigen Hunnen zu rächen – mit dem Patrizier Aetius als dem älteren und erfahreneren Mann darüber, was für ihn in dieser Situation zu tun sei. Jener aber fürchtete, daß Theoderich das Imperium Romanum, wenn die Hunnen gänzlich untergegangen sein würden, bedrohen könnte, und legte ihm den Plan nahe, dass er zu ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet zurückkehren solle und das Reich, das der Vater verlassen hatte, an sich bringen solle, damit nicht seine Brüder, nachdem sie sich die Gewalt seines Vaters genommen hätten, das Reich der Westgoten übernähmen und er heftig und elend mit seinen eigenen Leuten, was immer schlecht sei, kämpfen müsse. Diese Antwort nahm er nicht als eine listige, was sie eigentlich war, sondern als Rat zu seinem eigenen Besten und kehrte, indem er die Hunnen in Ruhe ließ, nach Gallien zurück. So tritt die Zerbrechlichkeit des menschlichen Schicksals mit ihren Mutmaßungen in den Weg und versperrt ihm oft die Möglichkeit, Großes zu vollbringen. In diesem herausragenden Krieg nämlich zwischen den tapfersten Völkern sollen, wie berichtet wird, auf beiden Seiten 165,000 Mann gefallen sein, außerdem 15,000 Gepiden und Franken, die, als sie vor dem offiziellen Ausbruch bei Nacht aufeinander losgingen, sich gegenseitig Verwundungen zufügten, wobei die Franken für die Römer, die Gepiden für die Hunnen kämpften. Als Attila also den Aufbruch der Goten bemerkte, hielt er es, was er bei unvermuteten Maßnahmen des Gegners zu tun pflegte, für eine List und hielt sich länger im Lager auf. Als aber der Abwesenheit der Feinde eine lange Stille folgte, erhob sich seine Hoffnung auf den Sieg, die Freuden wurden schon vorweggenommen, und des mächtigsten Königs Herz kehrte in die gewohnten Erfolgserwartungen zurück. Thorismund aber, der, als sein Vater gestorben war, noch auf den Katalaunischen Feldern, wo er auch gekämpft hatte sofort die Königswürde angenommen hatte, zog in Tolosa ein. Hier machte er, obgleich die Schar der Brüder und der Tapferen sich freute, selbst einen so bescheidenen Anfang, dass es keinen Wetteifer um die Nachfolge in der Königsherrschaft fand…“

Die Schlacht von Belle-Alliance

„Es würde jeder Größe entbehren, wenn es nur auf sicheren Berechnungen sich gründen ließe, und wenn die Erringung des Lorbeers nicht abhängig wäre von dem Mute der Verantwortung. Diesen Mut heranzubilden, war Ziel unserer deutschen militärischen Erziehung. Sie konnte dabei hinweisen auf die größten Vorbilder in der eigenen Geschichte sowie auf die mächtigsten Taten unserer gefährlichsten Gegner. Gab es einen kühneren Einsatz der letzten Kraft, als ihn der große König bei Leuthen wagte und damit das Vaterland und seine Zukunft rettete? Hat man nicht auch den Entschluß Napoleons I. als richtig anerkannt, als er bei Belle-Alliance seine letzten Bataillone an die Entscheidung setzte, um dann freilich, wie Clausewitz sagt, arm wie ein Bettler vom Schlachtfeld zu verschwinden? Wäre nicht ein Blücher dem Korsen gegenüber gewesen, der Korse hätte gesiegt, und die Weltgeschichte wäre wohl einen anderen Weg gegangen. Und auf der anderen Seite der viel umjubelte Marschall Vorwärts; wagte er nicht auch in dieser Entscheidungsschlacht das Äußerste?“ (Paul von Hindenburg, „Aus meinem Leben“)

Mit der Schlacht von Belle-Alliance endete 1815 das Wüten Bonapartes ein für alle Mal. Nachdem es diesem zuvor gelungen war, unseren Feldmarschall Blücher bei Ligny zu schlagen, wollte er sich nun die Engländer vornehmen. Jedoch war unser Blücher keinesfalls besiegt, ließ ein Korps gegen seinen Verfolger Grouchy stehen und marschierte mit dem Großteil seiner Truppen nach Belle-Alliance, wo er gerade noch rechtzeitig eintraf, um die Vernichtung des englisch-niederländischen Heeres zu verhindern. „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen!“ – hatte der englische Feldherr Wellington ausgerufen. Der mit seinen 68,000 Mann – zu Teil recht unerfahrener Truppen – gegen Bonapartes 72,000 Veteranen doch etwas auf verlorenem Posten stand. Das Erscheinen unseres Blüchers mit wendete das Blatt und infolge einer mustergültigen Verfolgung durch Gneisenau wurde die gallische Armee weitgehend aufgerieben. Was von Bonapartes Vorgehensweise bei Belle-Alliance zu halten ist, verrät uns unser Carl von Clausewitz in seinem „Der Feldzug von 1815 in Frankreich“: https://archive.org/details/bub_gb_-DVBAAAAYAAJ

„Ein vorsichtiger Feldherr, Turenne, Eugen, Friedrich der Große, der sich nicht in einer so außerordentlichen Lage befunden, der entweder mehr zu verantworten oder mehr zu verlieren gehabt hätte, würde die Schlacht von Belle-Alliance nicht geliefert, das heißt Mittags zwölf Uhr, als Bülow erschien, abgebrochen und sich zurückgezogen haben. Wenn es möglich wäre die Regeln der Kriegskunst bloß auf objektive Verhältnisse zu beschränken, so würde man hier sagen: es war gegen alle Regel, diese Schlacht noch zu versuchen. Die ältere Kritik würde auch nicht gesäumt haben, dies festzustellen und nur hinzusetzen: Aber freilich kann sich das Genie nicht an die Regel binden. So urteilen wir nun nicht. Wenn die Kriegführung im Großen von Grundsätzen ausgehen soll, so müssen diese wenigstens jedes Verhältnis umfassen, in dem sich der Kriegführende befinden kann, und zwar die großartigsten und durchgreifendsten Verhältnisse vor allen übrigen. Bonaparte, der auf der Spitze seines Degens nicht bloß die Krone von Frankreich balancierte, sondern eine Menge anderer Kronen zu gleicher Zeit, der sich einzig und allein mit Kühnheit und verwegenem Trotze durch eine Welt ihm entgegentretender fester Verhältnisse und Ordnungen seinen Weg bahnen sollte – wie könnte man Bonaparte mit dem Maßstabe messen, mit welchem ein Turenne gemessen werden muß, der, in eine große Staatsordnung gehörig, sie weniger bestimmt, als er selbst von ihr bestimmt wird, und als ein nur wenig vorragendes Glied derselben zu betrachten ist. Wie könnte man Bonaparte tadeln, daß er einer Schlacht darum nicht ausgewichen ist, weil er schon das Schwert blitzen sah, das der rachedurstige Blücher in seiner Seite zuckte, und sah, daß ihm kaum noch eine Hoffnung des Sieges blieb. Das war ja eben der einzige Weg zum Ziel, daß er die letzten Hoffnungen noch verfolgte, das Glück noch an seinen schwächsten Fäden festzuhalten suchte. Als er gegen Wellington vorrückte, seines Sieges fast gewiß, erschienen etwa 10,000 Mann in seiner rechten Flanke; es war Hundert gegen Eins zu wetten, daß fünf- oder sechsmal so viel folgen würden, und dann war die Schlacht nicht zu gewinnen; aber es blieb doch möglich, daß es nur ein mäßiges Detachement sei, daß mancherlei Ungewissheiten und Behutsamkeiten sein wirksames Einschreiten verhindern konnten. Auf der anderen Seite lag ja für ihn nichts als ein unvermeidlicher Untergang; sollte er sich durch die bloße Gefahr in die Gewißheit hineinschrecken lassen? Nein, es gibt Lagen, wo die höchste Vorsicht nur in der höchsten Kühnheit zu suchen ist, und zu diesen gehörte die Lage Bonapartes. So urteilen wir über sein Beharren beim Entschluß zur Schlacht, und es lag uns daran, durch diese Ansicht zu zeigen, daß, wenn wir nun sein Aufopfern der letzten Reserven ganz mißbilligen, dies eben nicht nach dem Werkschuh einer gewissen Normal-Vorsicht geschehe. Als die Streitkräfte Blüchers zu 50- und 60,000 Mann anschwollen, als Lobau überwältigt und bis gegen die allgemeine Rückzugsstraße geworfen wurde, als neue schwarze Massen sich unter Ziethen in die leer gewordene Stellung Wellingtons hineinsenkten, als die Nacht einbrach und also schon dadurch jede Möglichkeit einer Mitwirkung Grouchys verschwand: – da war an keinen Sieg mehr zu denken, da gab es für den Feldherrn keine andere Pflicht und Klugheit mehr, als mit einem Teile seiner Reserve sich gegen Bülow hin etwas Luft zu machen, um Raum zum Rückzuge zu gewinnen, und diesen dann unter dem Schutze der übrigen Reserven unverzüglich anzutreten. Die Schlacht war verloren, vielleicht war eine wahre Niederlage schon nicht mehr zu vermeiden, aber für Bonapartes fernere Angelegenheiten war es immer ein ungeheurer Unterschied, ob er, von einer Übermacht überwältigt, an der Spitze einer unüberwindlichen Schar das Schlachtfeld tapfer fechtend verlassen hatte, oder ob er wie ein eigentlicher Flüchtling zurückkam, belastet mit dem Vorwurfe, sein ganzes Heer zu Grunde gerichtet und dann im Stich gelassen zu haben. Bonaparte hat vielleicht nie einen größeren Fehler gemacht. Freilich wird derjenige Feldherr wenig Schlachten gewinnen, der beim leisesten Sinken der Waage behutsam sich aus der Falle zieht, und solch ein bloßes Andeuten des Kampfes konnte nicht der Charakter der Bonapartischen Kriegsführung sein; es gibt eine Menge Siege, die nur durch Ausdauer und Anstrengung der letzten Kräfte errungen sind; aber die Kritik kann verlangen, daß der Feldherr nicht nach dem Unmöglichen strebe und dieser Unmöglichkeit Kräfte aufopfere, die er nützlicher brauchen kann. Hier erscheint in einer fast gemeinen Erbitterung, wie Einer, der ein Instrument zerbrochen hat und wütend die Fragmente zertrümmernd auf die Erde wirft…“