„An die Einwohner Westphalens. In einem Dekret vom 5. Mai 1809 fordert der König von Westphalen Euch, Ihr deutschen Brüder! auf, mich zu arretieren und auszuliefern, indem er mich einen Übertreter des Völkerrechts nennt, welcher gesucht habe, in seinem Lande Verständnisse zu unterhalten, Mißvergnügen zu erregen und zum Aufruhr aufzufordern. Er verspricht denen, welche mich abliefern, 10,000 Francs zur Belohnung, und befiehlt allen Militär- und Zivilbehörden, sich meiner und der Meinigen tot oder lebendig zu bemächtigen. Zwar wundert es mich nicht. meine deutschen Brüder, daß von einem Könige, welcher nicht Eures Stammes ist, und welcher, seiner eigenen Erhaltung wegen, wünschen muß, daß Ihr, wie feige Sklaven, die Fesseln geduldig traget, welche er Euch angelegt hat, eine solche Sprache gegen mich geführt wird. Auch kann ich nicht die Absicht haben, mich dagegen zu rechtfertigen und Euch zu überzeugen, daß ich nicht feindliche Gesinnungen gegen Euch hege: denn das wißt Ihr, auch ohne daß meine Worte und mein Benehmen Euch das Gegenteil sagen. Ihr reißt, daß ich nicht komme, um Euch noch das Wenige, was man Euch bis jetzt nicht geraubt hat, zu nehmen, und um Euer Elend zu vergrößern, worin eine fremde Nation Euch gestürzt hat. Ich erscheine nicht unter Euch an der Spitze einer Räuberbande, wie dort gesagt ist, und wie Ihr sie in den fremden Herren zu sehen gewohnt seid, sondern an der Spitze der tapfersten und edelsten deutschen Männer, welche bereit sind, Alles aufzuopfern, was ihnen teuer ist, um Euch Eure Rechte und Eure Verfassung wiederzugeben, die Ihr verloren habt. Ich komme, um Euch zu rächen, um Euch zu befreien von dem Joche, welches ein fremder Eroberer Euch aufgebürdet und welches Ihr bisher mit Schmach getragen habt. Deutsche Nationalehre und deutscher Sinn sollen nicht länger unterdrückt sein; man soll Euch nicht länger nach Gesetzen regieren, die Euch fremd sind, und die darauf abzielen, Eure Eigentümlichkeit zu vernichten und Euch zu Sklaven zu machen. Dieses, meine deutschen Brüder! ist meine Absicht, und dieses allein soll das Ziel meiner Anstrengungen sein. Ihr werdet es daher nicht glauben, daß ich das Völkerrecht verletze, wie es Euch diejenigen vorzustellen suchen, welche es nie gekannt haben; sondern der Stimme aller Völker folgend, trete ich zwischen Euch, um Euch aufzufordern, daß Ihr Euch mit mir vereinigt, um so dem gemeinschaftlichen Feinde unsers deutschen Vaterlandes, nach den großen Beispielen der Spanier und Tiroler, uns kräftig entgegen zu stellen. Vorzüglich an Euch Ihr Bewohner Westphalens, die Ihr einem fremden Könige und fremden Gesetzen gehorchet, ergeht dieser Zuruf. Lasset diesen günstigen Moment, wo unsere übrigen deutschen Brüder, die Österreicher, im siegreichen Kampfe gegen die Feinde unsers Vaterlandes ihre Freiheit erkämpfen, nicht ungenützt vorbeigehen! Lasset diesen Augenblick, welcher vielleicht der einzige ist, um die Freiheit Eures Handels wieder herzustellen, um Euren Gewerben neues Leben und neue Tätigkeit zu verschaffen, nicht ungenützt vorbeigehen! Vereinigt Euch mit mir, meine deutschen Brüder! ergreifet die Waffen. und seid alsdann des glücklichsten Erfolges gewiß. Eure Taten werden von den glänzendsten Siegen gekrönt werden; Ihr werdet Euch ein ewiges Denkmal stiften in der Geschichte, und der Segen Eurer Enkel wird über Euch kommen.“ (Ferdinand von Schill)
Im Jahre 1809 erschien unser Major von Schill mit seiner kleinen Schar als einsamer Rufer in der Wüste, aber schon im Jahre 1813 sollte zur Schilderhebung gegen die gallische Fremdherrschaft kommen, die in der Völkerschlacht bei Leipzig ihren krönenden Abschluß fand. Man könnte nun meinen, daß unser Schill auch die vier Jahre hätte noch warten können, aber das wäre albern. Denn es war im Jahre 1809 keinesfalls abzusehen, daß Napoleon keine drei Jahre später seine Kriegsmacht in Rußland ohne Sinn und Verstand vollkommen zugrunde richten würde. Im Gegenteil: Als sich 1809 unser Tiroler gegen die Fremdherrschaft erhoben und unser Kaiser Franz II. erneut seine Haustruppen gegen Napoleon marschieren ließ, erschien dies als die vielleicht letzte Möglichkeit unser deutsches Vaterland von der gallischen Fremdherrschaft zu befreien. Preußen war nach dem Frieden von Tilsit nur noch ein Schatten seiner selbst und mit dem Rheinbund hatte Napoleon seine Herrschaft stark befestigt. Daher verwundert es nicht, daß unser Schill sein Unternehmen auch dann fortgesetzt hat als aus dem Süden eine Unglücksbotschaft nach der anderen zu ihm drang. Seine Erfolge in Gefechten wie dem bei Dodendorf oder Damgarten oder seine Handstreiche wie die Einnahme der Festung Dömitz konnten dagegen wenig ausrichten. Es fehlte ihm am erhofften Zustrom und so warf er sich schließlich in unsere Hansestadt Stralsund, die seine Festung werden sollte. Mit 11,000 Kriegsknechten traten die Gallier zum Sturm an. Leicht wurde ihnen der Sieg nicht und er kostete sie allein 1800 Tote. Doch wurde Schills Streitmacht bei Stralsund aufgerieben und unser Held selbst fand dort den Schlachtentod. Elf seiner Offiziere folgten ihm bald darauf nach Walhall. Zu Wesel ließ Napoleon sie öffentlich ermorden. In den Tod gingen auch 500 seiner Soldaten, die auf die gallischen Galeeren verschleppt wurden. Ein Teil davon sah allerdings 1814 die Heimat wieder als unser Feldmarschall von Blücher Napoleon vom gallischen Thron stürzte. Bei unserem Geschichtsschreiber Friedrich Karl von Vechelde („Ferdinand von Schill und seine Schar“) erstürmt unser Schill nun die Festung Dömitz an der Elbe: https://archive.org/details/bub_gb_tFRDAAAAYAAJ
„Alles kam darauf an, sich der Feste durch einen unversehenen Angriff zu bemächtigen. Solches auszuführen, bemannte von Quistorp beim Dorfe Gorleben am 15ten Mai einige vorgefundene Kähne mit zwei Kompanien seiner Infanterie, und steuerte von Schnakenburg schnell die Elbe hinab, wobei die Fahrzeuge, zur bessern Verbergung der Mannschaften, mit Segeln und Matten überdeckt wurden, ungesehen näherten sie sich bis auf eine halbe Meile Dömitz, und, gedeckt durch einen Wald, landeten sie im Angesicht des Forts, ungeachtet der Kommandant desselben, Major von Röder, nicht ganz ohne Nachricht von dieser ihm bedrohenden Unternehmung geblieben war. Selbst als ihm die wirkliche Erscheinung eines bewaffneten Haufens gemeldet worden, konnte er sich so wenig von dessen feindlichen Absicht Überzeugen, daß er hinausritt, um selbst eine genauere Erkundigung einzuziehen. Allein mit ihm zugleich, als er sich schnell zurückziehen wollte, drangen die Truppen in vollem Lauf zum Tor der Zitadelle ein, wo die Wache von 19 Mann eben damit beschäftigt war, die Zugbrücke in Ordnung zu bringen. Der Kommandant rief seinen Leuten zu, das Gewehr zu ergreifen, aber im nämlichen Augenblick sprang der Volontär-Offizier von Dalwigk, welcher keinen Zug befehligte, und sich deshalb den vorangeeilten Schützen angeschlossen hatte, herzu, setzte ihm ein Terzerol auf die Brust, und nötigte ihn, der Torwache den Befehl zur Streckung der Waffen zu erteilen. So ergab sich jene Wache ohne Widerstand; der gesamten Besatzung, die fünf Offiziere und etwa 60 Gemeine zählte, blieb nichts übrig, als diesem Beispiel zu folgen. Auch das daneben an der Elbe liegende Städtchen konnte nun ruhig besetzt werden. Dömitz, welches ungefähr 160 Häuser und 2000 Einwohner zählt, liegt auf einer durch die Kanäle der sich hier in die Elbe mündenden kleinen und großen Elbe, gebildeten Insel. Da hier von Mecklenburg ein Elbzoll erhoben wird, und dieserhalb alle Fahrzeuge anlegen müssen, so gibt dies dem Orte einigen Verkehr. Das Städtchen ist mit einem Walle unregelmäßig umschlossen, der an der Westseite von einem fünfeckigen, damals schon ziemlich in Verfall geratenem Fort, welches den Strom beherrscht, verteidigt wird. Der Platz hatte indes schon damals alle strategische Wichtigkeit verloren, und diente nur noch als Zuchthaus. Man fand hier 18 bis 20 Kanonen, die freilich, mit Ausnahme von zwei oder drei metallenen, nur von geringer Brauchbarkeit waren, da die verfaulten Lafetten sie kaum noch zu tragen vermochten. Dennoch war dies, bei dem seither gänzlichen Abgang an grobem Geschütz, ein sehr willkommner Erwerb, der noch größern Wert gehabt, haben würde, wenn er auch von einiger Munition begleitet gewesen wäre. Sobald Schill die Schlüssel der Stadt, die ihm nach Gorleben entgegen gesandt wurden, empfangen hatte, brach er mit der Reiterei dahin zu Lande auf, und ließ sie in den nächstgelegenen Dörfern sich lagern, während ihm das Fußvolk in 15 Fahrzeugen nachfolgte. Es gab ein anziehendes Schauspieß als diese militärische Flottille an einem heitern Maitage den Strom hinab schwamm, und dann die gelandeten Mannschaften, von Schill am Tore empfangen, unter klingendem Spiel und im Paradeschritt zur Stadt einzog. Hier wurden sofort die nötigsten Anstalten getroffen, sich im Besitze des Orts zu behaupten; noch tätiger aber waren die Anstrengungen, das verfallene Fort (welches gleichwohl einer bedeutendern Gegenwehr, als man gefunden hatte, fähig gewesen wäre) in einen haltbaren Stand zu setzen. Demzufolge schrieb man eine Anzahl Schanzarbeiter in der nächsten Umgegend aus, besserte an den Wällen, versah sie mit Brustwehren, räumte die Gräben aus, und schaffte alle hinderlichen Gegenstände im weiten Halbkreise hinweg. Sobald Schill die Schlüssel der Stadt, die ihm nach Gorleben entgegen gesandt wurden, empfangen hatte, brach er mit der Reiterei dahin zu Lande auf, und ließ sie in den nächstgelegenen Dörfern sich lagern, während ihm das Fußvolk in 15 Fahrzeugen nachfolgte. Es gab ein anziehendes Schauspiel, als diese militärische Flottille an einem heitern Maitage den Strom hinab schwamm, und dann die gelandeten Mannschaften, von Schill am Tore empfangen, unter klingendem Spiel und im Paradeschritt zur Stadt einzog. Hier wurden sofort die nötigsten Anstalten getroffen, sich im Besitze des Orts zu behaupten; noch tätiger aber waren die Anstrengungen, das verfallene Fort (welches gleichwohl einer bedeutendern Gegenwehr, als man gefunden hatte, fähig gewesen wäre) in einen haltbaren Stand zu setzen. Demzufolge schrieb man eine Anzahl Schanzarbeiter in der nächsten Umgegend aus, besserte an den Wällen, versah sie mit Brustwehren, räumte die Gräben aus, und schaffte alle hinderlichen Gegenstände im weiten Halbkreise hinweg. Während jedoch unter solchen Vorkehrungen die beiden nächsten Tage vergingen, drohte die Lage Schills mit jeder Stunde mißlicher zu werden. Ausgesandte Späher brachten die Nachricht, daß der General Gratien alle seine streitbaren Kräfte im Lüneburgischen bereits gesammelt habe, und gegen die Elbe in vollem Anmarsche sei. Für irgend einen entscheidenden Schritt mußte sich jetzt Schill bestimmen, da ihm Dömitz durch seine innere Beschaffenheit, bei näherer Untersuchung, nicht ein solcher Waffenplatz zu sein schien, wie er anfangs geglaubt hatte, weshalb nun jedwede Möglichkeit bei ihm verschwand, an der Elbe sich länger mit seiner Schar zu halten. Nur der Rückzug an die Ostseegestade, und das letzte Mittel der Verzweiflung, die Zuflucht aufs Meer, unter dem Schutz der in jenen Gewässern kreuzenden britischen Flotte, blieb ihm als Rettung. Mußte aber hierzu geschritten werden, so schien ihm zu beidem kein Ort so viele und sichere Vorteile zu bieten, als Stralsund, mit der Insel Rügen im Rücken. Hier war er auf wohlbekanntem Boden; hier gab es, nebst den Resten nur erst seit Kurzem abgetragener Befestigungen, Hilfsmittel der mannigfaltigsten Art; hier traf er Schiffe, um, falls er seinem Gegner nicht länger Stand zu halten vermöchte, dar auf durch Englands Hilfe entweichen zu können…“