Geiserich, König der Wandalen

Neben unserem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen, unserem Westgotenkönig Alarich oder unserem Frankenkönig Chlodwig gehört unser Wandalenkönig Geiserich zu den größten deutschen Herrschern der Völkerwanderungszeit. Daher wollen wir heute – anläßlich seines Heimganges im Jahre 477 – an ihn und seinen Stamm erinnern. Um 389 soll er zur Welt gekommen sein. Die Nachfolge seines Vaters Godigisel trat er 428 an. In ständigen Fehden mit unseren Sueben und Goten in Spanien stehend, nahm er 430 gerne das Angebot des abtrünnigen römischen Statthalters Bonifacius an, nach Afrika zu kommen. Einmal dort, schlug er dem Bonifacius aufs Haupt, weil dieser ihm die Treue gebrochen hatte. Und auch den byzantinischen Aspar wußte er zurückzuschlagen. Mit der Eroberung Karthagos im Jahre 433 vollendete er seine Reichsgründung in Afrika. Untätig blieb unser Speerfürst in seiner neuen Hauptstadt aber nicht auf den Thron sitzen, sondern machte sich daran eine Flotte aus dem Boden zu stampfen. Dadurch konnte er die Ländereien der Römer und Griechen umfassend verheeren und 455 sogar Rom selbst einnehmen und plündern. Danach hatte er lange Jahre Ruhe und Frieden in Afrika. Im Jahre 468 mußte er noch einmal eine große Streitmacht und Flotte der Byzantiner abwehren. Seinen Nachfolgern hätte dies eine Warnung sein sollen, stets gegen Ostrom auf der Hut zu sein. Aber das Wohlleben nahm sie und ihren Stamm gar zu sehr in Beschlag… Drei Söhne und eine Tochter hatte Geiserich. Die Nachfolge trat sein ältester Sproß Hunerich an. Unser Geschichtsforscher Konrad Mannert berichtet uns nun in seiner „Geschichte der Vandalen“ von den Raubzügen unseres Geiserichs und wie dieser so Rom und Byzanz zum Friedenschluß zwingt: https://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10447242.html

„Das Gerücht von der Ankunft Sebastians war nicht leer gewesen; er kam wirklich nach Karthago, aber nicht als Feind, sondern um bei den Vandalen Schutz zu suchen. Dieser Sebastian war ein Schwager des bekannten Bonifacius, und vermochte, so lange dieser lebte, alles an dem Hofe zu Ravenna. Als aber nach dessen Tode die Partei des Aetius die Oberhand erhielt, mußte er sich mit der Flucht retten. Er ging erstlich nach Konstantinopel, dann zu den Westgoten nach Spanien, war aber überall nicht sicher vor den Nachstellungen des allgewaltigen Aetius. Endlich kam er in Begleitung etlicher Schiffe, mit denen er bisher Seeräuberei getrieben hatte, zu den Vandalen, Geiserich nahm ihn gütig auf, trauete ihm aber nicht; denn er war nicht sowohl der Römer, als des Aetius Feind. Da er kein Arianer werden wollte, so schafte ihn Geiserich endlich unter einer erdichteten Ursache aus dem Wege. Geiserichs Grausamkeit bleibt bei dieser niederträchtigen Handlung ohne Entschuldigung, wenn ihm gleich Sebastians Betragen gegründete Ursache zum Mißtrauen mag gegeben haben. Gleich mit dem Anfang des folgenden Jahres schickte nicht nur Geiserich seine Flotte wieder nach Sizilien, welche die gewöhnlichen Verheerungen anfing, sondern es erschienen auch, von dieser Zeit an, an vielen andern Seeküsten eine kleine Anzahl vandalischer Schiffe, welche landeten, wo sie konnten, wo man sich widersetzte, wieder abzogen, und auf gut seeräuberisch wegnahmen, was ihnen in die Hände fiel. Die Handlung wurde dadurch sehr zerrüttet, und alles in Furcht und Schrecken von diesen Barbaren gesetzt. Sie wagten sich sogar über die herkulischen Säulen hinaus, denn Idatius gedenke eines Einfalls, den sie in Galläcia machten. Kurz sie verursachten weit mehr Schaden und Lärmen, als der berüchtigte Barbarossa und alle andere Seeräuber von der nämlichen Küste aus in den vergangenen Jahrhunderten gemacht haben, und einigermaßen noch verursachen. Diese unaufhörlichen Einfälle brachten endlich den morgenländischen Kaiser Theodosius II. zu dem Entschluß, seinem Verwandten Valentinian III., dessen Seemacht in äußerst elenden Umständen muß gewesen sein, zu Hilfe zu kommen. Es erschien also auf der Insel Sizilien eine ansehnliche griechische Flotte unter vier Befehlshabern; diese sollte den Vandalen das Wiederkommen auf immer vergessen machen. Sie landeten also, – und – halfen den Vandalen die Insel plündern. Es fiel kein Treffen vor, und bald darauf kehrten sie unbeschädigt wieder nach Konstantinopel zurück, weil Theodosius es für zuträglicher hielt, mit den Vandalen Friede zu machen, und seine Macht gegen den Attila zu wenden, der zur Unterstützung Geiserichs nebst mehrern Nationen in das Gebiet des griechischen Kaisers einzufallen drohete. Mit dem morgenländischen Reiche hatte Geiserich von dieser Zeit an beinahe 20 Jahre lang Frieden. Auch Valentinian III. war jetzt gezwungen, Friede einzugehen, und den Vandalen zu lassen, was sie selbst verlangten. Eine Flotte hatte er nicht, die im Stande gewesen wäre, sich mit der vandalischen zu messen; und Landtruppen konnten nur zur See nach Afrika übergesetzt werden. Attila drohete überdies noch fürchterlich mit einem Einfall in Italien. Geiserich behielt also einige Inseln und die beiden Provinzen Zeugitana und Byzazena, welche er während dieses Seekrieges ohne Mühe unter sich gebracht hatte. Da es im Frieden heißt, daß Valentinian doch noch einige, obwohl sehr verheerte Ländereien in Afrika erhielt, so waren diese ohne Zweifel die tripolitanische Provinz und ein Teil von Numidien, wie die Teilung Geiserichs bald zeigen wird. Wenn man den ganzen Zusammenhang dieses kurzen Krieges bedenkt, so wird man gestehen müssen, daß er nach einem vortrefflichen Plan angefangen und ausgeführt war. Geiserich nimmt die Hauptstadt Karthago, denkt dann nicht zunächst auf weitere Eroberungen im Innern des Landes, sondern sucht sich die Obermacht zur See zu verschaffen. So schnell ist wohl nie eine ansehnliche Seemacht gebildet worden. Durch diese setzt er alles in Unruhe, und gibt den beiden Abteilungen des römischen Reiches so viel zu tun, daß sie an den eigentlichen Krieg in Afrika gar nicht denken können. Dieser Maxime folgte Geiserich seine ganze Regierung hindurch, so wie einer andern, daß er immer mit andern barbarischen Völkern ein genaues Verständnis zu unterhalten suchte. Dadurch wurde er von vielen Anfällen befreiet. Auch in diesem Kriege war Attila die Hauptursache, daß beide Höfe mit den Vandalen Frieden schließen mußten. Stund auch eine solche Nation in Freundschaft mit den Römern, oder gar in ihrem Sold, so waren doch bei ihren Kriegsdiensten, welche sie gegen jedermann zu leisten versprachen, alle Zeit die Vandalen ausgenommen. Hierin muß ich den König Geiserich als einen äußerst verständigen Mann bewundern, daß er so verschiedene Völker, die alle ein besonderes Interesse hatten, und für Geld jeden Augenblick bereit wären, auch ihre eignen Landsleute anzugreifen, daß er diese so fest an seinen Vorteil zu knüpfen wußte. Gleich nach der Endigung dieses Kriegs entdeckte Geiserich eine Verschwörung seiner eignen Nation wider sich. Er unterdrückte sie schnell, aber streng. Nicht nur die unmittelbaren Teilnehmer an derselben ließ er töten, sondern auch alle bei denen sich einige Wahrscheinlichkeit zeigte, daß sie von der Sache könnten gewußt haben. So daß ihm die zu harte Bestrafung dieser Verschwörung mehr Leute kostete, als wenn er das blutigste Treffen verloren hätte. Hierher gehört nach aller Wahrscheinlichkeit die Ermordung der Frau und zehn Kinder seines Bruders Gunderich, welche Geiserich in dem Fluß Amsaga ersäufen ließ. Vielleicht war die Zusammenverschwörung zum Besten dieser Familie unternommen, und dadurch veranlaßt worden, daß Geiserich über seine Vandalen unumschränkter herrschte, als es deutsche Nationen von ihrem Anführer gewohnt waren…“

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