Kaiser Friedrich der Zweite

Unser alter deutscher Kaiser Friedrich der Zweite erblickte 1194 in Ancona das Licht der Welt. Sage und schreibe 38 Jahre lang regierte er unser altes deutsches Reich und hatte dabei vor allem mit dem Papsttum zu ringen, fand aber auch Zeit für einen Kreuzzug, zum Burgenbauen, für die Falkenjagd und zur Förderung der Künste. Daß aus seinem ältesten Sohn Heinrich nichts geworden ist, war wohl Schicksal, denn an diesem versuchte sich selbst Walther von der Vogelweide vergebens:

„Halsstarrig Kind, du bist zu krumm,

Es biegt dich keiner grade mehr;

Der Rute bist du leider schon zu groß,

Dem Schwerte noch zu klein –

So schlaf in Ruhe denn vor mir!

Ich halte schier mich selbst für dumm,

Daß ich dich ehrte allzusehr;

Ich barg die Unart dein in Freundes Schoß,

Mein Leid band ich ans Bein –

Und tief verneigt ich mich vor dir!

Nun sei dein Lernen lehrerlos,

Ich kann nicht länger meistern dich,

Vermags ein andrer, der dir mehr

Behagt, wohlan! so freu es mich.

Doch weiß ich wohl, wenn seine Kraft

Zu Ende geht und nichts mehr schafft,

Noch etwas lockt aus dir herfür,

So steht der Herr mit seiner Kunst

Bald ratlos vor der Tür!“

Mit unserem Kaiser Friedrich trat unser deutsches Kaisertum noch einmal gegen das Papsttum an und davon berichtet uns nun unser Geschichtsgelehrter Franz Kampers in seinem Werk „Kaiser Friedrich II. – Der Wegbereiter der Renaissance“:

„Friedrichs Fortuna ist „das beseelte Gesetz auf Erden“, ebenso wie die Tyche Justinians in den Novellen „die beseelte Weltordnung“ ist. Fortuna und Tyche sind in beiden Fällen die gleiche Hypostase, die in engster Beziehung zum Herrscher steht. Dass es sich wirklich um eine Hypostase handelt, tut die ganze Entwicklungsgeschichte des Begriffes Tyche dar. Dieser kennzeichnet schon den hellenistischen Herrscherkult. Er ist aber kein hellenistisches Eigengut, sondern ein durch den hellenistischen Geist hindurchgegangenes orientalisches Erbe. Vom Hvarenô, dem leuchtenden Nimbus der göttlichen Majestät in der Lehre der Perser, führt die Entwicklungsgeschichte dieses Begriffes zu dem kaiserlichen Genius Roms. Wie die Fravashi des Königs – der von der Körperwelt unabhängige, unvergängliche Teil der Seele – durch das Hvarenô, wie der Daimon durch die Tyche, so wird der Genius des Kaisers durch die Fortuna erhöht. Tyche-Fortuna bezeichnet demnach die antike und die friederizianische Form des Gottesgnadentums. Von hier aus wird das Wort des Staufers verständlich: „Seit der Caesaren erlauchte Natur mit glückhafter Kraft unsere königliche Veranlagung überkam, ehe noch ein höheres Los uns beglückte…“ Von hier aus erkennen wir auch in der Kolossalfigur auf dem von Friedrich errichteten Triumphtor in Capua, auf dem die Statue des Kaisers in einer Nische thronte, seine Fortuna Caesarea. Als Weltnotwendigkeit, als die in der Tatsächlichkeit der Dinge ruhende Weltordnung ist Friedrichs Fortuna in seinen Staatsschriften die Majestät des allgebietenden römischen Kaisers. Wie sich dessen übermenschliche Erhabenheit offenbart, wie dieser Staufer als Imperator gewertet werden wollte, das lassen die aus seiner Kanzlei hervorgegangenen Dokumente deutlich erkennen. Schon die Schriftsätze der ersten Hälfte seiner Regierung bieten die Hauptzüge dieses Selbstporträts des Augustus; in der späteren Zeit des Todesringens sind sie nur noch etwas schärfer herausgearbeitet. In seinem Manifest gegen den Papst vom Jahre 1247 sagt Friedrich, daß Gregor IX. den Fürsten „leichtfertig“ das römische Kaisertum versprochen habe, „das von den Staufern sich abzuwenden in der Dauer urlanger Zeiten verlernt hat, und unsere Königreiche durch das Blut unserer Vorgänger erworben, geweiht durch ihre Grabmäler und durch ihre Bilder geziert.“ Das römische Imperium ist hier zu einem erblichen Besitz der Staufer geworden. Der alte germanische rechtliche Begriff der Königssippe hat sich von der engen Scholle losgelöst und ist dem Kaisertum in das weite Reich der über der Erde schwebenden Idee gefolgt; er ist dort zum „Reichsgeblüt“ geworden. Friedrichs Sohn Manfred, der dem Gedankenfluge des Vaters folgen konnte, rief nach dessen Tode auf die Frage, wer jetzt über Rom herrschen solle: „Es antwortet des Weltalls gebietende Notwendigkeit: ‚Niemand als des größten Cäsar Sohn, den jene Natur, die dem Reichsgeblüt überhaupt entkeimt ist, beisteht zu glückhafter Tat.‘“ Die Fortuna Caesarea als Weltnotwendigkeit ist dadurch dauernd auf das staufische Haus übergegangen. Sie hat dieses berufen; sie machte es, indem sie es mit ihrer Gnadengabe ausstattete, aus einer germanischen königlichen zur römischen cäsarischen Sippe. Die von der Fortuna der Welt ausgehende Berufung des staufischen Geschlechtes, die von der Fortuna Caesarea verliehene Fähigkeit, verbunden mit den Sternenmächten kundig und Herr zu werden der Notwendigkeiten des Lebens, machen den Träger der Kaiserkrone zum Weltenschicksal. Friedrich selbst nennt sich das „Leben aller Leben“ und in seiner Gesetzgebung heißt es – allerdings wieder in christlicher Verbrämung –, daß die Untertanen „nach Gott allein durch die Sanftmut der cäsarischen Erhabenheit atmeten.“ Göttlich war dereinst das Geschlecht des Divus Augustus. „Göttlich“ nennt Friedrich sich selbst und auch seine Mutter. Seinen Sohn Konrad bezeichnet er als den „göttlichen Sproß cäsarischen Blutes.“ Eine solche Bezeichnung läßt schon erkennen, daß Friedrich des Glaubens war, der unmittelbare und darum vollberechtigte Nachfolger der Augusti Roms zu sein. Wie diese, so leitete auch er sein Herrscherrecht von römischen Volke her, das seine Souveränität dem Princeps, dem ersten Mann im Staate, freiwillig übertrug. Indem Friedrich sich auf die lex regia berief, indem er mit Vorliebe später daran erinnerte, daß die Römer selbst ihn zum Kaiser wählten, bricht er mit der alle solche römischen nicht mehr zeitgemäßen Ansprüche verneinenden Auffassung seiner Ahnherren Konrad und Barbarossa. Er erkennt das Souveränitätsrecht der Römer an. Damit erst hatte der alte Romgedanke über das deutsche Königtum vollends gesiegt. In dem mittelalterlichen Kaiserspruch: „Rom, das Haupt der Welt, lenkt des Erdballs Zügel“ war Roma nur ein altüberkommener Gedanke, der eine große Erinnerung verkörperte. Auf die noch gegenwärtige einstige Königin am Tiber, auf die sich ja nur zu oft die tragischen Schatten der Vergessenheit und der Verkommenheit senkten, nahm er nicht Bezug. Jetzt aber erkennt ein Kaiser an, daß mit den Mauern und dem Volke Romas auch deren Recht, die Macht in der Welt zu vergeben, fortbestehe. Räumlich umfaßte das Imperium Romanum nach dem römischen Recht den ganzen Erdkreis. Indem Friedrich sich auf dieses Kaiserrecht stützt, schreibt er 1242 den Römern: „Unsere Zügel schwingen bis an die fernen Grenzmarken der Erde… Uns dient die Erde, Uns huldigt das Meer, und auf einen Wunsch geschieht alles Begehrte.“ Peter von Vinea ruft in ähnlichen Wendungen in seiner Lobrede auf den Kaiser aus: „Wahrlich! Es verehrten ihn Erde und Meer, und es bejubeln ihn geziemend die Lüfte, ihn, der der Welt als wahrer Kaiser von der göttlichen Hoheit verliehen, als des Friedens Freund, der Liebe Schutzherr, des Rechtes Begründer, der Gerechtigkeit Bewahrer, der Macht Sohn, die Welt in beständiger Einwirkung verwaltet!“ Als Urform des Guten „bindet er die Zonen und verknüpft er die Elemente.“ Ein Chronist ruft aus: „Dieser Kaiser, der Welt wahrer Herrscher, dessen Ruhm sich über den ganzen Erdrund ausdehnt, war des Glaubens, er könne seine Natur der der Himmlischen angleichen.“ Anziehend ist die Beobachtung, daß in dieser Verherrlichung des „Imperium ohne Ende“ sich einmal auch der Gedanke der europäischen Kulturwelt, der griechischen Ökumene, vernehmen läßt, die der Barbarei des Ostens gegenübergestellt wird. Matthäus Paris schreibt nämlich: „Die Tataren sollen sich nicht länger rühmen, da vor den siegreichen Adlern des übermächtigen Europa Satan selbst sie in den Tod stürzen wird! …“

Bei unserem Geschichtsforscher Friedrich Kohlrausch („Bildnisse der deutschen Könige und Kaiser“) versammelt der Papst Innozenz eine Kirchenversammlung, auf der er unseren Kaiser Friedrich den Zweiten absetzen lassen will: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10016311_00005.html

„Zu der bestimmten Zeit fanden sich in Lyon die Patriarchen von Konstantinopel, Antiochien und Aquileia, 140 Erzbischöfe und Bischöfe, besonders zahlreich aus Spanien, und die Gesandten der meisten weltlichen Herrscher ein. Aus des Kaisers Staaten kam nur, mit dessen Bewilligung, der Erzbischof von Palermo; aus Deutschland kamen sehr wenige. Von weltlichen Fürsten war nur der Kaiser Balduin von Konstantinopel zugegen, der Regent des schon sehr gesunkenen lateinischen Kaisertums, der an den Höfen der Könige umherwanderte, um Hilfe zu suchen. Innozenz behandelte ihn mit vieler Auszeichnung, um unter den Richtern auch einen Kaisernamen zu haben. Jedenfalls war die Zahl der anwesenden Prälaten gegen ihre Anzahl in allen Ländern der Christenheit nur gering; aber Innozenz zeigte auch bald durch die ganze Behandlung der Sache , daß er sein schon im Voraus fertiges Urteil keiner ausführlichen Untersuchung mehr zu unterwerfen gedachte. Am Montage nach Johonnis zog er an der Spitze der sämtlichen Prälaten und Abgeordneten in die Kirche des heil. Johannes. Aus einem erhöhten Sitze in der Mitte saß er selbst, rechts von ihm der Kaiser Balduin, ihm gegenüber die Patriarchen von Konstantinopel und Antiochien. Nachdem das „Komm, heiliger Geist“ gesungen war, begannen die vorbereitenden Verhandlungen. Nach einigen unbedeutendern Vortragen trat der erste Gesandte Friedrichs, sein Kanzler Thaddäus von Suessa, ein trefflicher Rechtsgelehrter und sehr beredter Mann, aus, entschuldigte des Kaisers Abwesenheit mit Krankheit und bot in dessen Namen, um des Friedens mit der Kirche willen, des Kaisers Hilfe zur Herstellung des lateinischen Kaisertums, Hilfe gegen die Mongolen und gegen die Chowaresmier, die im Jahre vorher das heilige Land eingenommen hatten, und Rückgabe der kirchlichen Besitzungen, nebst Vergütung alles geschehenen Unrechts, an. – „Groß und herrlich“, sprach Innozenz, „sind des Kaisers Versprechungen, aber sie werden nicht erfüllt werden; jetzt, da die Axt schon dem Baume an die Wurzel gelegt ist, will er nur Zeit gewinnen. In welchen Banden soll ich diesen wandelbaren Proteus festhalten, und wer wird mir für seine Zusagen Bürgschaft leisten?“ – „Die Könige von Frankreich und England“, antwortete Thaddäus, „mögen bürgen und den Kaiser zur Erfüllung anhalten.“ – „Mitnichten“, sprach Innozenz, „denn wenn Friedrich, wie ich voraussehe, zurücktritt, so müßte die Kirche gegen die Bürgen verfahren und hatte statt eines Feindes deren drei, und zwar die mächtigsten der Erde.“ Hiermit endigte diese vorbereitende Sitzung und nach vier Tagen eröffnete der Papst die erste eigentliche Sitzung mit noch größerer Feierlichkeit. Er hielt unter vielen Tränen eine Rede über die Worte aus den Klagliedern Jeremiä: „O ihr, die ihr vorübergehet, gebet Acht und sehet, ob ein Schmerz gleich sei dem meinigen!“ Dann verglich er seinen fünffachen Schmerz mit den fünf Wunden Christi, nämlich über die Verwüstungen der Mongolen, die Trennung der griechischen Kirche von der römischen, die vielfachen Ketzereien, das Unglück des heiligen Landes unter den Chowaresmiern, und endlich den bittersten über den Kaiser, der aus einem Beschützer der Kirche ihr Feind und Widersacher geworden sei. Seine großen Verbrechen seien: Ketzerei, Kirchenraub und wiederholter Meineid. Die Ketzerei beweise er durch den Verkehr mit den Sarazenen und ihre Begünstigung; den Kirchenraub habe er vielfach in den römischen und seinen eigenen Landern geübt, indem er die Güter der Kirche genommen, aus Eigennutz Erzbistümer, Bistümer und Pfarreien unbesetzt gelassen habe und die Geistlichen besteuere; Meineid habe er durch den Bruch feierlich beschworener Urkunden, (welche der Papst bei diesen Worten emporhielt), begangen. Als der Papst geendigt, sprach Thaddäus mit festem Mute und so beredt zur Verteidigung seines Herrn, daß er viele der Hörer gewann. Er brachte päpstliche Bullen hervor, aus welchen er beweisen könne, daß nicht sein Herr, sondern die Papste ihr Wort gebrochen; ob der Kaiser ein Ketzer sei, könne niemand wissen, als er selbst, da niemand in sein Inneres zu sehen vermöge; die Freundschaft mit den Sarazenen gereiche zum Vorteile der Christenheit; was die Beraubung der Kirchen betreffe, so fordere der Kaiser nur, was des Kaisers sei, und bestrafe nur diejenigen Geistlichen, die sich als seine Feinde zeigten und zu seinem Untergange wirken wollten. Damit sich aber sein Herr vollständiger gegen die Beschuldigungen des Papstes verteidigen könnte, forderte Thaddäus zuletzt eine Frist, binnen welcher der Kaiser selbst herkommen oder seine Gesandten mit Weisung und Vollmacht versehen könne. „Das sei ferne“, fiel der Papst ein, „daß er komme! ich fürchte die Schlingen, denen ich kaum entronnen bin. Wenn er kommt, so gehe ich; noch habe ich keine Lust zum Märtyrertode oder Gefängnis!“ Auf die Verwendung der englischen und französischen Gesandten jedoch wurde dem Kaiser, der in Turin war, eine Frist von zwölf Tagen bewilligt. Als Friedrich die Nachricht über die bisherigen Verhandlungen erhielt, sprach er: „Es ist klarer als das Tageslicht, daß der Papst mich verderben will und nur darum das Konzil berufen hat!“ Deshalb schien es ihm und seinen Räten auch bedenklich, daß er sich selbst in die Mitte seiner Gegner begäbe und dadurch, indem er erscheine, um Recht zu nehmen, im Voraus die Unterwerfung unter den Spruch der Kirchenversammlung anerkenne. Er schickte also den Bischof von Freisingen, den Großmeister des deutschen Ordens und den Großrichter Peter von Vinea als neue Gesandte zu seiner schon in Lyon anwesenden Gesandtschaft ab. Aber ehe sie ankamen, sogleich mit Ablauf der zwölftägigen Frist, schritt Innozenz, der in der Zwischenzeit die Geistlichen der fremden Länder aus seine Seite gebracht hatte, zur Fällung des Urteils in der dritten großen Versammlung, den 17. Juli 1245. Als Thaddäus des Papstes Entschlossenheit zum Äußersten erkannte, rief er laut: „Ich appelliere von dieser Kirchenversammlung, auf welcher so viele Geistliche und fürstliche Abgeordnete fehlen, an ein allgemeines unparteiisches Konzilium, von diesem dem Kaiser feindlichen Papste an den künftigen milder gesinnten Papst!“ Aber Innozenz erwiderte: „die Versammlung ist zahlreich genug; Alle sind geladen; die nicht gekommen sind, sind durch Friedrich selbst zurückgehalten. Eben deshalb, damit ihm nicht aus seiner Arglist ein neuer Vorteil erwächst, ist nicht länger mit seiner Absetzung zu zögern.“ Und nun teilte er der Versammlung eine schon abgefaßte Bulle mit, in welcher die Verbrechen des Kaisers nochmals ausgezählt waren, wie wir sie, der Hauptsache nach, schon gehört haben…“

Hinterlasse einen Kommentar